Anosognosie

Der Begriff Anosognosie (von griechisch „nosos“ (Krankheit) und „gnosis“ (Wissen)) wurde von Babinski geprägt um das Phänomen der Leugnung und des Nichtwahrnehmens einer (meist linksseitigen) Halbseitenlähmung zu beschreiben. Leugnung und Nichtwahrnehmen einer ernsthaften Erkrankung kommt aber auch in anderem Zusammenhang vor. Patienten mit Wernickeaphasie, die nicht versuchen ihre Paraphasien zu korrigieren, werden manchmal gereizt, wenn andere ihre Jargonsprache nicht verstehen. Das Anton- Syndrom beschreibt Patient mit kortikal Blindheit, die verleugnen blind zu sein, sie konfabulieren wenn sie gefragt werden ob sie ein Objekt, dass man ihnen gezeigt hat beschreiben können. Bei der Alzheimerdemenz spricht man von Anosognosie wenn die Defizite im den Aktivitäten des täglichen Lebens oder neuropsychologische Defizite verleugnet werden, häufig verleugnen diese Patienten auch ihre depressiven Verstimmungen und ihre Enthemmung im Verhalten. Das Ausmaß der Anosognosie nimmt dabei mit dem Ausmaß der Demenz zu. Eine Anosognosie für sensorische und motorische neurologische Defizite hat vermutlich meistens ihre Ursache in komplexen Schädigungen. Gestört sind dabei hirneigene Überwachungsfunktionen und andere übergeordnete Funktionen. Neben Schädigungen in Bereich der sensomotorischen oder kognitiven Steuerung spielen auch Gedächtnisstörungen und Störungen der allgemeinen Intelligenz eine Rolle. Anosognosie geht häufig mit einem einseitigen Neglect einher, die Lokalisation der Hirnschädigung ist bei beiden neuropsychologischen Phänomenen häufig rechts parietotemporal. Bei der Anosognosie ist diese Zuordnung aber im Gegensatz zum Negelct nicht eindeutig und umstritten. Beispielsweise ist auch ein Patient beschrieben, bei dem es nach einem pontinen Infarkt zu eine Anosognosie kam. ( Rev Neurol (Paris). 2006 Jun;162(6-7):747-9. ). Patienten mit Anosognosie nach einem Schlaganfall sind meist älter und häufiger schon vor dem Schlaganfall dement, als Patienten die nur einen Neglect entwickeln. Anosognosie lässt auch nicht so eindeutig wie ein Neglect auf eine spezielle Lokalisation der Hirnschädigung schließen. Nach manchen Studien gibt es gar keine eindeutige lokalisatorische Zuordnung für dieses Syndrom, im Gegensatz zum Neglect. Bei Schlaganfällen tritt die Anosognosie häufiger nach großen Infarkten auf, sie kündigt eher eine schlechte Prognose an. Eine Anosognosie hat erhebliche praktische Konsequenzen, die sich jeder leicht vorstellen kann. Jemand der blind ist, und dies nicht wahrnimmt oder eine Halbseitenlähmung hat und diese nicht wahrnimmt, hat eine gravierend erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit auch in der häuslichen Umgebung und kann auch entsprechend schlecht bei der Behandlung seiner Defizite mitwirken.

 

Quellen / Literatur:

S E Starkstein, et al., A diagnostic formulation for anosognosia in Alzheimer’s disease, J Neurol Neurosurg Psychiatry 2006; 77: 719-725. [Abstract] [Full text] [PDF] P. Appelros, G. M. Karlsson, S. Hennerdal, Anosognosia versus unilateral neglect. Coexistence and their relations to age, stroke severity, lesion site and cognition, European Journal of Neurology 14 (1), 54–59 ; Vallar G, Ronchi R. Anosognosia for motor and sensory deficits after unilateral brain damage: a review. Restor Neurol Neurosci. 2006;24(4-6):247-57.; Jehkonen M, Laihosalo M, Kettunen J. Anosognosia after stroke: assessment, occurrence, subtypes and impact on functional outcome reviewed. Acta Neurol Scand. 2006 Nov;114(5):293-306.

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur