Aphasie

(griechisch a: nicht; phanai: sprechen also nicht sprechen können), von dem französischen Arzt Armand Trousseau eingeführter Begriff zur Bezeichnung der Unfähigkeit, Gedanken mittels Sprache auszudrücken, dabei ist das Sprechvermögen oder die Sprache meist teilweise erhalten. Dass Sprache an definierte Hirnareale gebunden ist, haben Ärzte bereits im 19. Jahrhundert erkannt. Als der französische Chirurg und Anthropologe Pierre Paul Broca 1861 die Leiche eines Mannes sezierte, der, obwohl geistig auf der Höhe, jahrelang nur die eine Silbe „tan“ hervorgebracht hatte, entdeckte er im linken unteren Frontallappen des Gehirns eine Schädigung. Dort müsse die Fähigkeit zum Sprechen lokalisiert sein, folgerte der Forscher. Wenig später stieß der deutsche Neurologe Carl Wernicke bei Patienten mit Schwierigkeiten beim Satzverständnis auf Verletzungen an der Grenze zwischen linkem Schläfen- und Scheitellappen. Das Wernicke Areal galt fortan als Zentrum des Sprachverstehens. (Geo) Die Existenz des Broca Sprachzentrums wird nach den Befunden der modernen Bildgebung wieder bezweifelt. Vermutlich spielen generell bei jeder Art von Aphasie verschieden Hirnstrukturen eine Rolle. Darunter auch nach bisherigen Vermutungen rein motorischen Hirnzentren wie das Kleinhirn bei lexikalischen Aufgaben. Broca- Aphasie ist damit überwiegend ein Terminus für die Beschreibung des Defizites geworden. Die Lokalisatorische Bedeutung ist unklar. Aphasie entsteht, wenn die dominante Gehirnhälfte geschädigt ist (bei Rechtshändern ist die linke Hemisphäre dominant), ohne dass eine Beeinträchtigung der Sprechorgane oder des Gehörs vorliegt. Ursache ist bei etwa 75% der Patienten ein Schlaganfall, jede Hirnschädigung (Blutung, Trauma, Tumor, Entzündung) kann allerdings zu einer Aphasie führen. Etwa einer von 250 Menschen leidet an einer Aphasie. Man versteht darunter eine Beeinträchtigung im Verstehen oder Übermitteln von Gedanken durch Sprache in gelesener, geschriebener oder gesprochener Form, verursacht durch eine Verletzung oder Erkrankung der Hirnareale der dominanten Hirnhälfte, die für Sprache zuständig sind. Diagnostik: Geprüft wird bei jedem Kontakt das Kommunikationsverhalten und die Spontansprache. Dabei wird der Sprechantrieb, die Sprechanstrengung, Sprachmelodie beurteilt, es wird darauf geachtet ob Automatismen, häufige eventuell unsinnige Floskeln oder Umschreibungen auftreten. Außerdem auf Wortfindungsstörungen Grammatik, semantische oder phonematische Paraphasien (Danebenreden), Neologismen (Wortneuschöpfungen), Jargon (Privatsprache)). Patienten werden aufgefordert Gegenstände zu Benennen, Worte und Sätze nachzusprechen, es wird überprüft ob sie die Sätze oder Worte verstanden haben. Geprüft wird auch die Fähigkeit zu Lesen und Schreiben. Unter Sprachverständnisschwierigkeiten versteht man dabei Probleme mit dem Verstehen von Wörtern, Verwechslung der Bedeutung von Wörtern, Schwierigkeiten den Sinn von Worten oder Sätzen zu verstehen. Motorische Aphasien äußern sich in einer Störung der Sprachproduktion. Bei Wortfindungsstörungen kann ein Gegenstand nicht benannt werden, obwohl er selbst und seine Funktion bekannt sind. Amnestische Aphasie: Die Person kann vorhandene Wörter nicht abrufen, erkennt aber von außen angebotene Wörter sofort bzw. kann sie richtig auswählen und zuordnen (bei sensorischer Aphasie nicht möglich). In der Spontansprache fallen ein Suchverhalten nach Wörtern, Pausen und sehr allgemeine Ersatzwörter (Dings da, Dingsbums..) auf, Motorische oder expressive Aphasie (Broca-Aphasie): Schwierigkeiten beim Sprechen oder Schreiben der beabsichtigten Begriffe. Sensorische Aphasie (Wernicke- Aphasie): Schwierigkeiten beim Verständnis geschriebener oder gesprochener Sprache. Die globale Aphasie ist eine starke Störung der Sprachproduktion und des –Verständnisses manchmal auch ihr völliger Ausfall. Unterschieden werden von der Aphasie muss die Dysarthrie (siehe dort). Automatisierte Sprache: Einige Formen des normalerweise automatisierten Sprachgebrauchs, die in der Normalsprache häufig vorkommen bleiben häufig erhalten. Dazu gehören Ausrufe, Empfindungswörter, Begrüßungsformeln, positive wie negative Eigenkommentare, Flüche.. Agrammatismus: Störung der Sprachfunktion, die durch völliges Fehlen oder Einengung und Vereinfachung syntaktisch-grammatikalischer Strukturen gekennzeichnet ist. Es werden grammatikalisch inkorrekte Sätze produziert. Bei Paragrammatismus ist der Sprechrhythmus gewöhnlich intakt, auch die Anzahl syntaktischer Strukturen weicht nicht von der Norm ab, doch werden die Satzteile inkorrekt kombiniert, verdoppelt und verschränkt. Jargonaphasie Mit dem Begriff Jargon beschreibt man eine Art der Sprachproduktion die sich aus einer großen Anzahl von Paraphasien, Neologismen und Paragrammatismus zusammensetzt. Jargonartige Äußerungen sind für den Untersucher meist unverständlich. Es ist davon auszugehen, dass das Sprachproduktions- Zentrum Funktionen der mentalen Sequenzierung erfüllt, welche sowohl für die Sprachproduktion als auch für den Planungsprozeß grundlegend sind. Deshalb sind bei den meisten Aphasikern auch andere neurospychologische Defizite zu erwarten. Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung (GAB) Entwicklung klinische Neuropsychologie c/o Dr. Wolfram Ziegler (Schriftführer) Dachauer Straße 164 80992 München Telefon: (0 89) 15 40 58 Telefax: (0 89) 15 67 81 1. Vorsitzender: Prof. Dr. Goldenberg www.aphasiegesellschaft.de

Die 4 Modalitäten einer Sprache

mündlich und rezeptiv

Wahrnehmung der Laute einer Sprache, auditives Sprachverständnis

mündlich und expressiv

Artikulation der Laute einer Sprache, Sprechen

schriftlich und rezeptiv

Lesen, Leseverständnis

schriftlich und expressiv

Schreiben

Amnestische

Wernicke

Broca

Globale

Reine Alexie

Transkortikale Aphasie (motorisch oder sensorisch

Leitungsaphasie

Sprachproduktion

Meist nicht gestört, aber mit Wortfindungs störungen (letztere stehen ganz im Vordergrund),

Flüssig, bis überschießend

Erheblich verlangsamt, und reduziert, stockend,

Spärlich bis 0, auch Sprach- automatismen, benutzen häufig die selben einfachen Worte, zB. die die die, oder so so so

meist intakt, Nachsprechen aber nicht oder kaum möglich.

deutlich reduziert aber promptes Nachsprechen

Störung beim Nachsprechen steht ganz im Vordergrund

Artikulation

Meist nicht gestört

Meist nicht gestört

Oft dysarthrisch

Meist dysarthrisch,

meist intakt

Prosodie (Sprachmelodie –Rhythmus

Meist gut erhalten

Meist gut erhalten

Oft nivelliert, auch skandierend

Oft nivelliert, bei Automatismen meist gut erhalten

Meist intakt

beim Nachsprechen kaum gestört

Satzbau

Kaum gestört

Paragramatismus (Verdoppelung und Verschränkung von Sätzen und Satzteilen)

Agramatismus, (nur einfache Satzstrukturen, Fehlen von Funktionswörtern, unvollständige Sätze,

Nur Einzelwörter, Floskeln, Sprach- automatismen

Meist intakt

beim Nachsprechen kaum gestört

Wortwahl

Ersatzstrategien bei Wortfindungs- störungen, Füllwörter, einige semantische Paraphasien

Viele Semantische Paraphasien, oft grob vom Zielwort abweichend, semantische Neologismen, bei stärkster Form semantischer Jargon

Relativ eng begrenztes Vokabular, kaum semantische Paraphasien

Äußerst begrenztes Vokabular, grob abweichende semantische Paraphasien

phonematische Paraphasien

selten

Lautstruktur

Einige phonematische Paraphasien

Viele phonematische Paraphasien bis zu Neologismen, auch phonematischer Jargon

Viele phonematische Paraphasien

Sehr viel phonematische Paraphasien und Neologismen

Verstehen

Nicht oder leicht gestört

Stark gestört

Leicht gestört

Stark gestört

Gesprochenes wird meist gut verstanden. Reine Alexie mit Farbennenungs- störung und Hemianopsie nach rechts

nur bei der sensorischen Form gestört

Kommunikations- fähigkeit gut erhalten – hauptsächlich Schwierigkeiten beim Benennen , häufig Ausweichen in Umschreibungen und Floskeln, Können nicht benennen, im Gegensatz zu Gedächtnis- störungen wo das Benennen erhalten ist.

Kommunikations- fähigkeit stark eingeschränkt – es wird viel und unverständliches gesprochen, Nachsprechen, Lesen, Schreiben und Rechnen sind ebenfalls schwer gestört

Sprach- verständnis gut erhalten – Schwierigkeiten beim Schreiben ähnlich wie beim Sprechen, oft „sympathische Dyspraxie“ der linken Hand

Alle expressiven wie rezeptiven sprachlichen Funktionen gleich schwer beeinträchtigt, oft sprachliche Automatismen wie „dadadada“, meist auch buckofaziale und Gliedmaßenapraxie, Hemiparese und Hemianopsie

Können spontan schreiben, das selbst geschriebene aber nicht lesen, können auch nicht abschreiben, können Farben nicht benennen aber sortieren

Die Existenz der Sprachzentren wird nach den Befunden der modernen Bildgebung wieder bezweifelt. Vermutlich spielen generell bei jeder Art von Aphasie verschieden Hirnstrukturen eine Rolle.

Temporo-parietale Läsionen, oft andere Ursache außer Schlaganfall (Hirntumor, Trauma),

Retrorolandische Läsionen im Versorgungsgebiet der A.temp.post.

Opercularregion (prärolandisch), Vers.-gebiet der A. praecentralis

Funktionsstörung im gesamten A. c. Mediagebiet

Läsion der linken Sehregion und des Spleniums des Balkens. A.c.post. li.

bei Schädigung zentraler Bahnen

soziale Floskeln und automatisierte Sprachäußerungen sind bei allen Aphasien weniger betroffen, das Ausmaß der Aphasie ist immer von der emotionalen Verfassung abhängig. Bei mehr als der Hälfte der Linkshänder ist ebenfalls die linke Hirnhälfte sprachdominant. Bei der übrigen Hälfte sind meist beide Hirnhälften beteiligt, deshalb besteht hier eine bessere Rückbildungstendenz und häufig von vorne herein eine geringere Ausbildung de Aphasie. Auch wegen der emotionalen Reaktion ist bei Kindern meist eine globale Aphasie vorhanden. Broca und Wernicke-Aphasie kommen erst ab dem Vorschulalter vor. Amnestische Aphasien gibt es erst nach der Pubertät. Die meist linksseitige Sprachdominanz ist zwar angeboren, aber wird erst in den ersten Lebensjahren ausgebildet. Anfangs sind beide Hemisphären zur Übernahme der Sprachfähigkeit gleichermaßen befähigt. Bei Kindern treten Aphasien bei Läsionen der linken oder rechten Hirnhälfte auf, da die Dominanz der Hemisphären noch nicht voll ausgebildet ist. Aphasie (von Uwe Grefe, Bad Salzuflen) http://www.uwe-grefe.de/Informationen über das Krankheitsbild Aphasie – von einem Betroffenen

im Gegensatz zur Aphasie:

Dysathrophonie: Am Sprechen sind insgesamt etwa 100 Muskeln beteiligt, jeder Muskel enthält über 100 motorische Einheiten, von denen in einem gegebenen Augenblick etwa 10 aktiv sind. Beim Sprechen werden im Durchschnitt 14 Laute pro Sekunde geäußert. Daraus folgt, dass pro Sekunde 14000 verschiedene neuromuskuläre Ereignisse oder Ereigniskombinationen im korrekten Zeitablauf der Innervation zu sprechmotorischen Leistungen koordiniert werden müssen. Dies geschieht auch dadurch, dass Muster im Gehirn angelegt werden. Bestimmte Silben sind in Informationseinheiten vorgefertigt vorhanden. Bei kortikalen, pseudobulbären, oder bulbären zentralen Bewegungsstörungen oder bei peripheren Lähmungen, bei Kleinhirnbedingten Koordinationsstörungen, bei Artikulationstörungen im Rahmen von Basalganglienerkrankungen. bulbäre Sprechstörung: Lähmung der Sprechmuskulatur. Unfähigkeit, Verschluss- und Mitlaute zu bilden: P wird zu f, t zu s, k zu ch, verbunden mit Schluckstörungen und Unfähigkeit abzuhusten (angesammelter Schleim muss abgesaugt werden). Speiseteile gelangen in die Luftröhre, dadurch Gefahr der Pneumonie (Lungenentzündung durch Verschlucken), (s. Aspiration). Max-Planck-Instituts für neuropsychologische Forschung

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur