Ataxie-Telangiektasie-Syndrom (Louis Bar Syndrom)

(Ataxie = Störungen der Bewegungskoordination, Sprechstörung und Störung der Gleichgewichtsregulation, Telangiektasie = sichtbare Erweiterung der kleinen Blutgefäße an der Hautoberfläche und am Auge) Inzidenz etwa 1:40000- 1:100000 Geburten, damit sehr seltene autosomal rezessiv vererbte Erkrankung. Wenn Eltern ein betroffenes Kind haben ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch ein nächstes Kind betroffen ist, 1:4, bei entsprechendem Gendefekt ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind krank ist, nahe 100%. Eine pränatale Diagnostik ist möglich. Beide Eltern müssen heterozygote gesunde Genträger sein, wenn sie ein krankes Kind haben.

Symptomatisch besteht eine progressive cerebelläre Ataxie, okulokutane Telangiektasien, häufigen Infekten und erhöhter Wahrscheinlichkeit an bestimmten Tumoren (am häufigsten akute lymphozytäre Leukämien und Lymphomen) zu erkranken. Die Krebshäufigkeit insgesamt ist 37x höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bei der Behandlung der Krebserkrankungen ist die sehr hohe Strahlenempfindlichkeit der betroffenen Kinder zu berücksichtigen. Durch die Ataxie kann bereits die motorische Entwicklung der Kinder verzögert sein, sie lernen oft verspätet gehen- oder bekommen später Gleichgewichtsprobleme, haben eine verwaschene Sprache, und sind in der Regel bereits im Grundschulalter motorisch auffällig. Am häufigsten beginnen die Bewegungsstörungen zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr, die meisten Betroffenen sollen bereits im Jugendalter einen Rollstuhl benötigen. Die Intelligenz ist aber normal. Die Telangiektasien treten an den Augenwinkeln, den Ohrmuscheln, und den Wangen auf, sind aber nicht bei allen Betroffenen vorhanden. Manche der Betroffenen haben einen leichten Diabetes mellitus, einen Hypogonadismus, die Haare werden manchmal vorzeitig grau.

Ursache ist eine Mutation am ATM Gen. Es besteht ein Mangel an den Immunglobulinen IgA, IgG, IgE und fast immer ein erhöhtes Alphafoetoprotein. Aber auch die zelluläre Infektabwehr (T-Lymphozyten) ist beeinträchtigt. Im Verlauf sieht man kernspintomographisch zunächst Kleinhirnatrophien, später auch im Großhirn Demyelinisierungen, Mikroblutungen und Telangiektasien. Eine kausale Behandlung ist bisher nicht bekannt, entsprechend können nur supportiv die Symptome behandelt werden.

Ob asymptomatische heterozygote Genträger ein erhöhtes Krebsrisiko haben ist noch nicht sicher geklärt. Es gibt Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Brustkrebsrisiko.

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur