Bias

Englisch für Voreingenommenheit, jede Abweichung die Studienergebnisse von der wissenschaftlichen Wahrheit haben ). Es handelt sich um einen systematischen absichtlichen oder unabsichtlichen Fehler bei Beobachtung, Wiedergabe, Berechnung und Berichterstattung einer Untersuchung, der zu einer wesentlichen Verfälschung oder Veränderung der Ergebnisse führt. Diese systematischen Fehler erzeugen Ergebnisse, die dann auch systematisch vom wahren Wert abweichen. In klinischen Studien handelt es sich beim Bias um einen systematischen Fehler, der ein mögliches Ergebnis zu unrecht gegenüber einen anderen favorisiert. In der Folge kann dies dazu führen, dass die Froscher aber auch die klinischen Anwender falsche Schlüsse über die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen einer Behandlung ziehen.

Persönliche Erwartungen des Untersuchers aber auch der Probanden einer Untersuchung können ein Bias begünstigen. Verzerrte bzw. selektive Wahrnehmung, z.B. depressive Fehlinterpretation einer objektiv neutralen Situation als negativ. Beim Status-Quo-Bias werden nur die Informationen zu einer getroffenen Entscheidung weiter verfolgt, die Informationen, die abgewählte Alternativen betreffen werden ignoriert, damit ist langfristig keine wirkliche Überprüfung einer Hypothese mehr möglich. Alle Menschen haben die Tendenz bei der Auswahl und Interpretation von Informationen zunächst eine Bestätigung ihrer bisherigen Einstellungen und Haltungen zu suchen.

Viele Verlaufs- und Beobachtungsstudien setzen eine informierte Zustimmung des Patienten, dass seine Krankenakte im Rahmen der Studie eingesehen werden darf voraus. Die Unterschiede zwischen den Gruppen von Patienten, die ihr Einverständnis geben und denen die es nicht geben sind schlecht untersucht. Ein solches Selektions- oder Authorisationsbias kann aber bei manchen Fragestellungen durchaus bedeutsam sein und die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse erheblich in Frage stellen. (siehe BMJ 2009;338;b866doi:10.1136/bmj.b866) Bei Befragungen kann es sein, dass der Proband versucht sozial erwünschte Antworten zu geben, höflich zu sein und Konflikte mit dem Untersucher zu vermeiden und deshalb (abhängig von seinem Eindruck vom Fragesteller) andere Antworten gibt als seiner wahren Einstellung entspricht. Die Möglichkeit eines Bias muss bereits bei der Entscheidung über ein Studiendesign eine wesentliche Rolle spielen. Ein typisches Bias gibt es bezüglich Screeninguntersuchungen zur Früherkennung z.B. einer Demenz oder eines Prostatakarzinoms im hohen Alter. Patienten deren unheilbare schwere Krankheit im Rahmen von Screeninguntersuchungen frühzeitig entdeckt wird, haben eine längere Lebenserwartung nach Diagnose als solche bei denen die Erkrankung erst beim Auftreten von offensichtlichen Symptomen diagnostiziert wird. Screening führt zu einer früheren Entdeckung der Erkrankung in deren natürlichem Verlauf. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass sie länger insgesamt leben. Im Regelfall leben sie einfach länger mit dem Wissen um die Diagnose. Bei vielen Erkrankungen resultiert deshalb aus der Früherkennung ein nur scheinbarer Gewinn an Überlebenszeit. Tinnitus oder ein Hörsturz beispielsweise klingt in der Regel von alleine ab. Akutbehandlungen (unabhängig davon, wie behandelt wird, haben deshalb von Natur aus eine gute „Heilungsaussicht“. Diese Heilungen würden allerdings auch ohne Behandlung so eintreten. Beim chronischen Tinnitus oder Hörsturz ist die Prognose im Spontanverlauf wie bei Behandlung schlecht. Es handelt sich dabei einfach um die (kleine) Gruppe von Patienten, die einen schlechten Verlauf haben (mit oder ohne Behandlung). Alleine aus der Tatsache, dass bei Akutbehandlungen häufiger Besserungen eintreten, kann man nicht folgern, dass diese Wirksam sind.

In der Wissenschaft: Ein Bias kann beispielsweise entstehen bei der Auswahl der Studienteilnehmer, deren Verteilung auf die Prüfgruppen, was überprüft wird, wie gemessen wird, ob bei doppelblinden Studien tatsächlich die Verblindung eingehalten wird, ob alle Daten erhoben oder veröffentlich werden, ob alle Patienten, die ursprünglich den Prüfgruppen zugeordnet werden weiter verfolgt werden (Intention to treat), Größe der Untersuchungsstichprobe, Alter der Studienteilnehmer, vorzeitige Beendigung von Studien, …. Häufig sind dabei Probleme, dass die Verblindung nicht effektiv gehandhabt wird, so dass Studienteilnehmer oder Prüfärzte eventuell wissen, ob der betreffende Patient nun ein Medikament oder Plazebo erhielt. Unzureichende Verblindung scheint dabei nach manchen Metaanalysen die Ergebnisse zugunsten der Behandlungsgruppe zu verfälschen. Veröffentlichte Studien bilden nicht immer den Stand der Kenntnis ab („Publication Bias„). Eine Untersuchung zu französischen Studien untersuchte alle Protokolle von 25 der 48 Ethik-Kommissionen aus 1994 zu dort vorgetragenen Studien. Bei 649 von 976 (69%) waren Protokolle vorhanden. Von diesen wurden 581 (90%) Studien begonnen, 501/581 (86%) wurden beendet, , und 190/501 (38%) wurden veröffentlicht. Bei Studien mit zustimmenden Ergebnissen war es 4,5x wahrscheinlicher, dass sie als wissenschaftliche Studie veröffentlicht wurden als bei Studien mit nicht schlüssigen oder widersprüchlichen Ergebnissen (OR 4.59, 95% confidence interval 2.21 to 9.54). Studien mit zustimmenden Ergebnissen wurden auch deutlich schneller veröffentlicht, als Studien mit nicht schlüssigen oder widersprüchlichen Ergebnissen (hazard ratio 2.48, 1.36 to 4.55).Evelyne Decullier et al., BMJ2005;331:19(2;July), Industrie gesponserte Studien werden weiterhin seltener veröffentlicht als öffentlich geförderte Studien, mehr als die Hälfte aller Studien werden nicht veröffentlicht. PLoS Med 6(9) 2009: e1000144. doi:10.1371/journal.pmed.1000144

Eine Untersuchung der 289 weltweit am häufigsten zitierten randomisierten und kontrollierten Studien kam zu dem Ergebnis, dass 65 der 77 Spitzenreiter an randomisierten und kontrollierten Studien teilweise von der Industrie finanziert wurden, 18 von 32 der am häufigsten zitierten randomisierten und kontrollierten Studien wurden ausschließlich von der Industrie finanziert. Die Industriefinanzierung nimmt dabei kontinuierlich zu, etwa auf das 1,5 fache pro Jahr, öffentliche Finanzierung spielt eine immer kleinere Rolle. – Ohne das Geld aus der Pharmaindustrie gäbe es also ganz erheblich weniger Forschung, der Einfluss der Pharmaindustrie auf die Forscher– und damit möglicherweise auch auf die Ergebnisse nimmt damit aber auch zu. Nikolaos A Patsopoulos, John P A Ioannidis, Apostolos A Analatos, Origin and funding of the most frequently cited papers in medicine: database analysis, BMJ 2006;332:1061-1064, doi:10.1136/bmj.38768.420139.80, Abstract] [Abridged PDF] [Full text] [PDF].

In einer Untersuchung von 324 Studien zu kardiovaskulären Erkrankungen zeigten die von der Industrie geförderten Studien signifikant häufiger positive Ergebnisse, als Studien, die von nicht profitorientierten Organisationen bezahlt wurden, die von der Industrie und nicht profitorientierten Organisationen gemeinsam finanzierten Studien lagen mit ihren Ergebnissen in der Mitte. (JAMA 295(19), 17 May 2006, p 2270–2274) Da hier eine sehr repräsentative Stichprobe eines ganzen Landes ausgewählt wurde, gibt es wenig Anhalt, dass die Zahlen anderswo wesentlich abweiche. Wenn Pharmafirmen Studien fördern werden für ein Unternehmen ungünstige Studien seltener publiziert. Metaanalysen gelten als Lieferanten „harter“ Daten. Die Ergebnisse werden verfälscht, wenn Negativerkenntnisse nicht zugänglich sind und daher nicht in die Auswertung einfließen können, aber auch, wenn Herstellergesponserte Artikel aus Zeitschriften ohne hinreichende Qualitätsprüfung (Peer Review) einbezogen werden. Veröffentlichte Studien sind damit eventuell nicht repräsentativ für alle durchgeführten Studien, hinzu kommt, Artikel mit „signifikanten“ Ergebnissen (p<.05) werden eher publiziert. Einsicht in die Daten aller Studien wird deshalb von vielen Seiten dringlich gefordert, eine Pflicht zur Veröffentlichung wird sich aus der Diskussion ergeben müssen. Studien die in den USA oder anderen englischsprachigen Ländern gemacht wurden und die von einer angesehenen Institution gemacht wurden, habe bei offener Peer review in den angesehenen Zeitschriften eine deutlich bessere Chance veröffentlicht zu werden, als beispielsweise deutsche Studien. Manche fordern um dieses Bias zu vermeiden ein blindes Peer review.

Auch die angesehensten medizinischen Fachzeitschriften beziehen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Einnahmen aus Werbung durch die Pharmaindustrie. Obwohl das Abonnement meist teuer ist, reichen die Einnahmen von den Abonnements nicht für die Unkosten. Nur wenige Zeitschriften legen die Verflechtungen oder Interessenkonflikte ihrer Editoren und Eigner offen- kritisiert das British Medical Journal (BMJ 2006;332:1444-1447). Es verweist auf das Beispiel der Zeitschrift Annals of Internal Medicine , dessen Anzeigeneinnahmen um die Hälfte zurückging, nachdem die Zeitschrift einen diesbezüglich kritischen Artikel veröffentlicht hat. Auch die Mitglieder von medizinischen Expertenkommisionen, die Leitlinien generieren etc. legen in solchen Leitlinien nicht immer ihre möglichen Interessenkonflikte offen. Beim Besuch von Internetseiten, die Werbung für medizinische Produkte darbieten oder gar solche verkaufen, sollte selbstverständlich von einem Bias ausgegangen werden. Noch immer ist mindestens jeder 7. Artikel in den angesehensten medizinischen Fachzeitschriften von einem Ghostwriter aus der Pharmaindustrie geschrieben.

Ob eine Studie in einer anerkannten medizinischen Zeitschrift veröffentlicht wird, hängt unter anderem davon ab, ob die Gutachter und Redakteure der Zeitschrift den Autor kennen. Dies kann eine sinnvolle Auslese sein, kann aber auch ein Bias hinsichtlich bisher bekannter oder z.B. von der Pharmaindustrie geförderter Studien sein. Beziehungen sind auch in der Wissenschaftsgemeinde die Schmiere, die alles am laufen hält. Br. J. Ophthalmol. 2009;93;881-884

 

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur