Für viele Patienten nach Internet und Pressemeldungen interessant als Ursache von psychischen und neurologischen Störungen aller Art (insbesondere aber alle Arten von Somatisierungsstörungen und Depressionen). Bisher liegen keine gesicherten Ergebnisse vor. Die Nachweismethoden gelten als umstritten. Amantadin das aus der Parkinsonbehandlung ja gut bekannt ist, ist auch nicht ohne Nebenwirkungen. Wie immer wenn eine einzige Lösung für viele komplexe Probleme angeboten wird, sollte man abwarten und zurückhaltend sein, bis man genaues weiß. BDV ist ein neurotropes RNA-Virus, das bei Schafen und Pferden Meningoenzephalitiden auslösen kann. Es ist benannt nach der Stadt Borna in Sachsen, wo BDV vor etwa 100 Jahren eine Epidemie unter den Pferden einer Kavallerieeinheit ausgelöst hatte. A. Grabner (München) sprach über die Symptome der natürlichen BDV- Infektion des Pferdes, die initial mit Verhaltensauffälligkeiten und Apathie, später dann mit Somnolenz, Im Kreis-Gehen, Torticollis, Trismus und Tremor einhergeht. In Bayern erkranken jährlich etwa 20 bis 30 Pferde, 80 Prozent der Tiere sterben an der akut auftretenden Erkrankung. Wie serologische Untersuchungen an über 9 000 Pferden zeigten, haben etwa zehn Prozent der Pferde in Deutschland Antikörper gegen BDV und haben daher irgendeine Form der BDV-Infektion durchgemacht. Als Überträger des Virus werden neben Schafen und Pferden neuerdings auch Katzen diskutiert, da sich auch bei diesen Tieren BDV-Antikörper nachweisen ließen. Wie das Virus übertragen wird, ist jedoch weiter unklar. In Frage kommt eine Infektion über die Nasenschleimhaut oder den Riechnerv, eine Infektion über periphere Nerven und eine Infektion über das Blut. Wie P. Schmidt (München) ausführte, ist eine Infektion über das Nasensekret oder die Tränenflüssigkeit unwahrscheinlich, da sich das Virus in diesen Körperflüssigkeiten des Pferdes nicht regelmäßig nachweisen ließ. Mehrere Eigenschaften von BDV nähren die Vermutung, dass es für die Pathogenese psychiatrischer Erkrankungen des Menschen von Bedeutung sein könnte: BDV ist neurotrop und infiziert insbesondere Zellen des limbischen Systems, in dem Emotionen und Verhalten gesteuert werden; BDV führt beim Tier zu Verhaltensauffälligkeiten und kann spezifische Transmitterveränderungen verursachen, die das dopaminerge und cholinerge System betreffen, also Transmittersysteme, die zum Beispiel bei Patienten mit Schizophrenie beziehungsweise Alzheimer-Demenz gestört sind. Dass BDV eine Ursache psychiatrischer Erkrankungen des Menschen sein könnte, wird seit 1985 diskutiert. Damals wurden erstmals erhöhte Antikörperprävalenzen bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen beschrieben. K. Bechter (Günzburg/Ulm) berichtete über die Ergebnisse ausgedehnter seroepidemiologischer Untersuchungen an etwa 15 000 psychiatrischen, neurologischen und chirurgischen Patienten der Günzburger Kliniken, welche in Kooperation mit S. Herzog (Gießen) über viele Jahre sukzessiv untersucht wurden. 17- bis 30jährige psychiatrische Patienten wiesen demnach eine siebenfach höhere BDV-Seroprävalenz als vergleichbare chirurgische Patienten auf. Bechter betonte, dass nicht anzunehmen ist, dass BDV eine bestimmte psychiatrische Erkrankung verursacht, sondern eher, dass es ein Spektrum von unterschiedlichen Erkrankungen verursachen kann. Charakteristika einer psychiatrischen Störung durch BDV sind möglicherweise erhöhte Suizidalität und ungünstigere Verläufe. D. Dietrich (Hannover) stellte die Ergebnisse einer offenen Studie an 26 depressiven Patienten vor, bei denen Amantadin zur Augmentierung einer Standardtherapie mit klassischen Antidepressiva gegeben wurde. Diese Behandlungsstrategie basierte auf der Beobachtung der Arbeitsgruppen aus Hannover und Berlin, dass Amantadin bei einer Patientin, bei der sich BDV im Blut nachweisen ließ, einen guten antidepressiven Effekt hatte, der mit einer Viruselimination aus dem Blut einherging. Zusätzlich hatte die Berliner Arbeitsgruppe um L. Bode und H. Ludwig bereits früher zeigen können, dass Amantadin in Zellkulturen in der Lage war, BDV aus den Zellen zu eliminieren. In der vorgestellten Studie kam es bei einem Teil der Patienten zu guten und schnellen Besserungen, die jedoch nicht immer mit einer Viruselimination einhergingen. Dass der Nachweis von BDV im Blut schwierig sein kann und in unterschiedlichen Labors zum Teil verschiedene Ergebnisse erzielt werden, zeigte ein vom Paul-Ehrlich-Institut organisierter Ringversuch, dessen Ergebnisse von M. Nübling (Langen) vorgestellt wurden. Hierbei mussten sieben Labors unter „blinden“ Bedingungen 35 Blutproben von psychiatrischen Patienten und Kontrollen mittels PCR auf das Vorkommen von BDV untersuchen. In keiner der Proben ließ sich reproduzierbar das Virus nachweisen. In vier Labors waren verschiedene Proben positiv. Da diese jedoch nicht mit den Ergebnissen anderer Labors übereinstimmten, muss hier von Laborkontaminationen ausgegangen werden, wie sie bei Verwendung dieser hochsensitiven Methode vorkommen können. Zu ähnlichen Resultaten kam K. Ikeda (Tokyo, Japan), der die Ergebnisse eines Ringversuchs darstellte, der in Japan durchgeführt worden war.
Quellen / Literatur:
Lieb, Dr. med. Klaus, Borna-Disease-Virus – Ursache psychiatrischer Erkrankungen? Deutsches Ärzteblatt 96, Ausgabe 21 vom 28.05.99, Seite A-1422