Eklesiogene Neurosen

Angstmachende Gottesbilder sprechen nicht von einem liebenden Gott, den man beispielsweise vertrauensvoll ‚Vater‘ nennen kann. Angstmachende Gottesbilder, ein ständig fordernder Gott, dessen Ansprüche man scheinbar nie erreichen kann, können zu massiven Selbstzweifeln und Versagensängsten, aber auch zu Zweifeln an der Liebe anderer Menschen führen. Sie bewirken, dass Gott als beängstigend und bedrohlich empfunden wird, gewalttätig in unserem Leben wirkt, auf unser Leben einwirken kann, ja sogar krank machen kann. Glaube ist dann nicht mehr Lebenshilfe, sondern Lebenslast, aus der Frohbotschaft wird eine Drohbotschaft. Menschen können an Gottesbildern leiden. Ein strafender Gott, der alles sieht und hört, der den Sünder bestraft oder verdammt, wird zum Teil heute noch – als Erziehungshilfe eingesetzt. Dies geschieht oft mit Drohungen wie „Wenn das der liebe Gott sieht!“ Religiöse Ängste und Nöte können Ursache oder Symptome für die verschiedensten Erkrankungen sein. Die Beschwerden können sich auf vielfältige Weise zeigen. Das Spektrum geht von rein körperlichen Beschwerden bis hin zu Depressionen, religiösem Wahn oder religiösen Neurosen. Genauso wie „gesunde“ Menschen durch falsche religiöse Erziehung und negative Erfahrungen in der Kirche neurotisch werden können, so missbrauchen auch bereits neurotische Menschen religiöse Rituale für ihre angstvermeidenden Taktiken. Ende September 2005 fragte die Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen (forsa) im Auftrag der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) ein national repräsentatives Sample nach ihrer Auffassung, wie das Leben auf der Welt entstanden sei. Das aus meiner Sicht nicht unbedingt erstaunliche Ergebnis, dass 37,7% der Bevölkerung glauben, dass entweder Gott oder ein höheres Wesen die Welt und ide Arten direkt erschaffen oder zumindest direkt gesteuert hat. Nur 60% „glauben“ den wissenschaftlich erwiesenen Evolutionstheorien. (Evangelische Christen waren dabei sogar eine Spur abergläubischer als ihre katholischen Glaubensbürder). Im Komentar der Studie schreiben die Autoren: Für die deutsche Schulbildung ist es kein Qualitätsbeweis, dass in den Alten Bundsländern von den 14-44-Jährigen rund jeder Dritte eine Auffassung vertritt, die dem Kreationismus bzw. dem Intelligenten Design nahe steht. Für eine moderne Industrienation ist es in dieser Hinsicht kein Ruhmesblatt wissenschaftlich begründeter Schulbildung bzw. vernünftiger Weltorientierung.

 

Quellen / Literatur:

Fowid./Evolution_Kreationismus_Deutschland__2005.pdf

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur