Der Gerechte-Welt-Glauben entspringt einem Sicherheitsbedürfnis. Er ist Ausdruck des Bedürfnisses nach Gewissheit, dass jeder bekommt, was er verdient, und verdient, was er bekommt. Wenn Regeln der Gerechtigkeit gelten und sich alle daran halten, braucht man keine Angst zu haben, Opfer einer Ungerechtigkeit zu werden. Auch kann jeder durch die Einhaltung von Normen der Gerechtigkeit und Fairness Strafe vermeiden, Verdienste erwerben und damit das eigene Wohlergehen sicherstellen. Der Glaube an Gerechtigkeit und eine Gerechte-Welt hilft Menschen Vertrauen in andere Menschen und in die Zukunft aufzubauen. Der Gerechte-Welt-Glauben ist Sinn stiftend, und Angst vermindernd. Eine gerechte Welt mach Leistung und Lernen sinnvoller, sie macht es auch leichter eigene Misserfolge oder Rückschläge zu ertragen. Auch nach einem Misserfolg besteht dann ein größeres Vertrauen in die eigene Zukunft und auch in eigene Handlungsmöglichkeiten, weniger Gefühle des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit und Angst. Der Glaube an eine gerechte Welt stabilisiert auch die seelische Gesundheit von Menschen. Nach Studien steigt der Gerechte-Welt-Glauben mit zunehmendem Alter an und nimmt mit steigender Schulbildung ab, je konservativer ein Mensch ist, desto stärker ist sein Glaube an eine gerechte Welt. Menschen mit einer gesellschaftskritischen Haltung haben entsprechend einen geringeren Gerechte-Welt-Glauben. Je schwächer der Gerechte-Welt-Glaube ist, desto eher sind privilegierte Menschen gegenüber benachteiligten Bevölkerungsgruppen wohlwollend und hilfsbereit eingestellt. Der Gerechte-Welt-Glauben hilft den eigenen Status zu rechtfertigen und trotz Privilegien ein gutes Gewissen zu haben. Andererseits kann eine starke Ausprägung des Gerechte-Welt-Glaubens zu einem Bias oder einer Selbsttäuschung führen. Ungerechte Verteilungen werden relativiert, in dem man die Notlage der Benachteiligten zu relativieren, eigene Privilegien als verdient zu rechtfertigt, Benachteiligten unterstellt erheben, die eigene Lage selbst verschuldet zu haben, und diese abwertet. Unterschieden wird der Glaube an immanente Gerechtigkeit: die Gerechtigkeit einer Handlung äußert sich in ihren unmittelbaren Folgen. Der Glaube an Ultimative Gerechtigkeit: eine Person wird für erlittenes Unrecht irgendwann und irgendwie entschädigt bzw. für begangenes Unrecht irgendwann und irgendwie bestraft. Menschen die eher an ultimative Gerechtigkeit glauben können daher toleranter sein, als Menschen, die an eine immanente Gerechtigkeit glauben. Ein Messinstrument ist beispielsweise die GWPER PERSÖNLICHE GERECHTE-WELT-SKALA
Menschen glauben in stärkerem Maße daran, dass ihnen in ihrem eigenen Leben Gerechtigkeit widerfährt, als daran, dass die Welt im allgemeinen ein gerechter Ort ist, in dem alle Menschen bekommen, was sie verdienen. Zur Vorhersage unterschiedlicher Indikatoren der seelischen Gesundheit ist der persönliche Glaube an eine gerechte Welt ist bedeutsamer als der allgemeinen Glaube an eine gerechte Welt. Es ist bekannt, dass Menschen sich selbst mehr gerechte und weniger ungerechte Handlungen zuschreiben als anderen Menschen. Auch diese Form der positiven Illusionen trägt zur Aufrechterhaltung der seelischen Gesundheit bei (Taylor & Brown, 1988). In einem Experiment (N = 108) wurden unterschiedliche Selbstwahrnehmungen induziert (eigene Fairness; eigene Unfairness; Kontrollbedingung) und die unterschiedlichen Auswirkungen des persönlichen Gerechte-Welt-Glaubens (Welttheorie) einerseits und der Fairness-bezogenen Selbstwahrnehmung (Selbsttheorie) andererseits auf den Selbstwert (Seelische Gesundheit) aufgezeigt. Die positive gerechtigkeitsbezogene Selbstwahrnehmung und der persönliche Gerechte-Welt-Glauben hatten unabhängige positive Effekte auf den Selbstwert, die Selbstwahrnehmung eigener unfairer Verhaltensweisen wies hingegen keinen eigenständigen Effekt auf den Selbstwert auf, interagierte aber mit dem Gerechte-Welt-Glauben. Nur wenn die ProbandInnen eigenes unfaires Verhalten einräumten und gleichzeitig an eine persönliche gerechte Welt glaubten, dann war eine Einbuße des Selbstwerts zu verzeichnen. Der Glaube an eine allgemein gerechte Welt lässt sich durch Rechtfertigung von Ungleichheit im Eigeninteresse aufrechterhalten. Wer Ungleichheit nicht als ungerecht empfindet, kann den Glauben an eine gerechte Welt leichter aufrecht erhalten. Rechtfertigung von Ungleichheit als unvermeidlich oder legitimiert hat dann eine entlastende Funktion und hilft, den Glauben an eine gerechte Welt aufrecht zu erhalten.
In einer ersten vergleichenden Untersuchung an arbeitslosen und nicht arbeitslosen slowakischen Abiturienten im Jahre 1996 konnten die Autoren belegen, dass insbesondere der persönliche Glaube an eine gerechte Welt als möglicher personspezifischer Puffer zu wirken scheint, der die adaptive Bewältigung von Arbeitslosigkeit fördert: Je stärker die befragten Kurzzeitarbeitslosen an eine gerechte Welt glaubten, desto zufriedener waren sie mit ihrem Leben im allgemeinen. Bei Langzeitarbeitslosen konnte ein solcher Zusammenhang jedoch nicht beobachtet werden. Auch die Ergebnisse anderer Untersuchung gehen davon aus, dass der persönliche Gerechte-Welt-Glaube in adaptiver Beziehung zu den Maßen seelischer Gesundheit steht und dass diese Beziehungen nach Kontrolle der Persönlichkeitseigenschaften bedeutsam bleiben. Anhand einer repräsentativen Stichprobe (N = 1.661) von Bürgern einer westdeutschen Großstadt wurde überprüft, welche Faktoren die Zufriedenheit eines Kriminalitätsopfers mit der Polizei determinieren. Bei den vorliegenden Untersuchungsergebnissen zeigte sich zunächst, dass die Zufriedenheit eines Anzeigeerstatters mit der Polizei unabhängig davon ist, ob diese in der Lage war, den Täter zu ermitteln bzw. (bei Eigentumsdelikten) das gestohlene Gut wiederzubeschaffen. Dieser scheinbar überraschende Befund lässt sich jedoch gerechtigkeitspsychologisch bzw. attributionstheoretisch sinnvoll interpretieren. Aus gerechtigkeitspsychologischer Perspektive kann abgeleitet werden, dass die Zufriedenheit mit der Polizei – unabhängig von einer Ermittlung des Täters – davon beeinflusst wird, ob ein Anzeigeerstatter wahrnimmt, dass er von der Polizei angemessen und höflich behandelt wird (interaktionale Gerechtigkeit). Aus attributionspsychologischer Sicht kann – in Übereinstimmung mit Befunden aus der Dienstleistungspsychologie – darüber hinaus vermutet werden, dass ein objektiver Misserfolg der Polizei bei der Tataufklärung nur dann zu einer niedrigen Zufriedenheit führt, wenn das Kriminalitätsopfer die Ursache für den Misserfolg auf die Polizeibeamten und nicht auf die Umstände der Tat attribuiert (z.B. auf mangelnde Kompetenz bzw. Engagement im Gegensatz zur Schwierigkeit der Aufgabe). Dies gilt umgekehrt auf für die Straftäter. Eine Studie kommt hier zu dem Ergebnis: Je ausgeprägter der Gerechte-Welt-Glaube war, desto eher nahmen die Strafgefangenen ihr Verfahren und ihre Strafe als gerecht wahr, desto konstruktiver konnten sie mit Ärger umgehen und desto mehr Vertrauen hatten sie darin, ihre persönlichen Ziele erreichen zu können.
Zentrales Bestimmungsstück eines sozialen Dilemmas ist der Konflikt zwischen individuellen und kollektiven Interessen: Unter der Perspektive der individuellen Gewinnmaximierung erscheint die Entscheidung eines jeden Akteurs zugunsten seiner eigenen Interessen rational (z.B. hohe monetäre Gewinne durch exzessive Nutzung eines kollektiven Gutes). Diese Entscheidung zieht jedoch zugleich Kosten nach sich, die von den Akteuren kollektiv zu tragen sind, und entspricht damit nicht dem Prinzip der kollektiven Rationalität. Umfangreiche Forschungsarbeiten gehen der Frage nach, in welchem Ausmaß individuelle Akteure trotz dieser dilemmatischen Anreizstruktur zur Kooperation in sozialen Dilemmata bereit sind und welche Bedingungen das individuelle Entscheidungsverhalten beeinflussen
Quellen / Literatur:
Manfred Schmitt, Claudia Dalbert, Leo Montada, Tobias Gschwendner, Jürgen Maes, Barbara Reichle, Matthias Radant, Angela Schneider & Elmar Brähler Verteilung des Glaubens an eine gerechte Welt in der Allgemeinbevölkerung: Normwerte für die Skala Allgemeiner Gerechte-Welt-Glaube ISSN 1430-1148