Gynäkomastie

siehe auch unter Prolaktinome

Eine Schwellung im Bereich der männlichen Brustdrüse unter der Brustwarze bezeichnet man als Gynäkomastie. Das pathologische Substrat muss nicht unbedingt ein veränderter Drüsenkörper sein; auch die vermehrte Fettansammlung in diesem Bereich bietet ein gleiches klinisches Bild. Von manchen Autoren wird diese Erscheinung als Pseudogynäkomastie abgetrennt.

Häufigkeit der Gynäkomastie: Die Gynäkomastie kommt in verschiedenen Lebensaltern und mit unterschiedlicher Häufigkeit vor.Bei Neugeborenen, in der Pubertät und im Alter tritt die G. am häufigsten auf. Bei Auftreten vor der Pubertät sollte an die Auslösung durch Kosmetika gedacht werden. Insbesondere können Lavendelöl- und Teebaumöl- haltige Hautpflegemitteln Gynäkomastien auch bei Kindern auslösen. (NEJM 2007; 356: 479-485) Im Alter von 14 Jahren, also etwa in der Mitte der Pubertät, findet sie sich bei etwa 40% der männlichen Jugendlichen. In vielen Fällen beschränkt sie sich auf einen meist druckschmerzhaften Knoten unter der Brustwarze. Oft ist die Schwellung auf der linken Seite stärker. In höherem Alter ist die Gynäkomastie eine nahezu physiologische Erscheinung. Eine Vorwölbung der Brust ist bei den meisten Männern vorhanden, allerdings ist dies fast immer Fettgewebe und nicht Drüsenkörper. In einer Studie an 114 klinischen Patienten (Alter 27–92 Jahre) fand sich bei 65% der Untersuchten eine Gynäkomastie. Bei den jüngeren und älteren Patienten war der Prozentsatz niedriger, bei den 50- bis 60jährigen am höchsten. In den meisten Fällen war die Gynäkomastie mit einer Adipositas vergesellschaftet. Die Milchdrüsenanlage beim Mann ist wahrscheinlich wie bei der Frau östrogensensibel. Der Nachweis von Östrogenrezeptoren ist bei Gynäkomastien versucht worden, aber nicht immer gelungen. Möglicherweise wurde das Gewebe nicht in der Proliferationsphase untersucht. Eine Gynäkomastie kann auf einer vermehrten Östrogenempfindlichkeit beruhen. Das dürfte die Grundlage der Adoleszenten-Gynäkomastie sein. Bei den Knaben findet man weder Vermehrungen der zirkulierenden Östrogenspiegel, noch Verminderungen des freien oder des Gesamt- Testosteronspiegel. Außerhalb der Pubertät sind Gynäkomastien ohne erkennbare Ursache selten. Hormonspiegel-Messungen bei Gynäkomastie: Testosteron, freies Testosteron, Östradiol, Prolaktin, LH, FSH, hCG, SHBG, Bei einer Gynäkomastie bis zum Alter von 40 Jahren ist eine klinische Untersuchung des Hodens, seiner Konsistenz und Oberfläche notwendig. Unabdingbar ist eine zusätzliche sonographische Untersuchung der Hoden, damit auch klinisch stumme Tumoren erfasst werden können.

Eine krankhafte Gynäkomastie ist normalerweise das Ergebnis einer in Relation zu männlichen Geschlechtshormonen vermehrten Produkution von Östrogenen beim Mann oder einer Androgenresistenz (z.B. beim Kennedy- Syndrom). Dies ist bei Hyperprolaktinämie, Hypothyreose, Hypogonadismus, Klinefelter- Syndrom, chronischen Nierenerkrankungen (50% der Dialysepatienten), Lebererkrankungen, Fettsucht, Krebserkrankungen (besonders kleinzelliger Lungenkrebs und Leydigzellkarzinomen des Hodens die die HCG Produktion anregen), ungefähr 1% der Brustkrebserkrankungen betreffen Männer. Ob nun die Östrogenproduktion vermehrt ist, oder die Androgenproduktion vermindert spielt keine wesentliche Rolle. Im Alter produzieren Männer weniger Testosteron, und nehmen an Gewicht zu. Durch Gewichtszunahme werden männliche Geschlechtshormone durch Enzymaromatasen in Östrogene umgewandelt. Krankheiten des Hypothalamus und der Hypophyse können ebenfalls zur Gynäkomastie führen. Gynäkomastie tritt auch bei anderen Erkrankugen wie Myotone Dystrophie, bei Fettsucht, normalem Essen nach Hungern, bei zystischer Fibrose, nach Herpes Zoster etc. auf.

Zahlreiche Medikamente können zur Gynäkomastie führen: Opioide, Digoxin, Spironolacton, Ketoconazol, Flutamid, trizyklische Antidepressiva und SSRI, Bezodiazepine, Neuroleptika (besonders Phenothiazine, Risperidon, Amisulprid, Sulpirid, Thioridazin aber auch andere), Hormone, Finesterid, INH, Metronidazol, Penicillamin, Cimetidin, Omeprazol, Kalziumkanalblocker, Captopril, Eenalapril, Methyldopa, Reserpin, Phenytion, Antiretrovirale Behandlungen bei HIV. Auch manche Drogen können eine G. auslösen: Alkoholmissbrauch Marihuana, Opioide wie Heroin, Methadon, Amphetamine.

Patienten mit isolierter Galactorrhoe und normalen Prolactinspiegeln bedürfen nur dann einer Behandlung, wenn ein Hypogonadismus vorliegt, sie schwanger werden wollen, eine verminderte Knochendichte haben oder der Milchfluss als störend empfunden wird.

 

Quellen / Literatur:

Walter Krause und Benno Splieth; Erkrankungen der männlichen Brustdrüse, Hautarzt (1996) 47: 422–426 Springer-Verlag 1996, Am Fam Physician 2004;70:543-50,553-4. Maya Harris, Testicular tumour presenting as gynaecomastia BMJ 2006;332:837, [Full text] [PDF]

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur