HbA1c

(siehe auch Diabetes, Hypoglykämien, Blutzuckertagebuch, Polyneuropathie)
Hämoglobin (Hb) ist der Farbstoff der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) er transportiert den Sauerstoff im Blut. Hämoglobin wird in 4 Formen unterteil, HbA0 (90%), HbA1 (6%), HbA2 (2-3%) und HbF (1%). HbA1 trägt ein Zuckermolekül und wird deshalb als glykolisiertes („gezuckertes“) Hämoglobin bezeichnet. Die HbA1 wird wiederum unterteilt in die Untergruppen HbA1a, HbA1b, HbA1c. Meist wird bei Diabetikern das HbA1c bestimmt, selten das HbA1.HbA1c stellt etwa 75-80% des HbA1dar. HbA1- Gesamtwerte liegen etwas höher als HbA1c- Werte. Angegeben wird der HbA1c-Wert in Prozentwerten (% des Gesamthämoglobins). Üblicherweise ist die Schreibweise „% HbA1c“ oder „% HbA1Der HbA1c – Wert ermöglicht eine Abschätzung der Blutglukose oder Blutzuckerkonzentration der letzten 2-3 Monate. Als Parameter der Blutzuckerregulation wird meist das HbA1c bestimmt. In der Regel werden in der Diabetesbehandlung individuelle Zielwerte festgelegt. Normalwerte können je nach Bestimmungsmethode von Labor zu Labor unterschiedlich sein. Bei den DCCT- Studien- Referenzlaboren entspricht eine HbA1c- Wert von 7% einer mittleren Blutglucosekonzentration von 150-170 mg/dl (8,4mmol/l) ein HbA1c von 9% mittleren Blutglucosekonzentration von 210mg/dl (11,8mmol/l). Die Angaben wechseln dabei je nach Autor, in der Tabelle wurden deshalb die Angaben der neuesten amerikanischen Leitlinien der AMERICAN DIABETES ASSOCIATION 2003 verwendet. Der Nüchternblutzucker scheint einen geringeren Einfluss auf den HbA1c zu haben als der BZ nach dem Mittagessen und in den Abendstunden bis 22:00. (Rohlfing CL et al ). Die USA haben seit 1996 eine zunehmende Standardisierung der Laborwerte im „National Glycohemoglobin Standardization Program“ (http://web.missouri.edu/~diabetes/ngsp.html), gesponsert von der American Diabetes Association eingeführt um die Hb A1c Test- Bestimmungen nach den DCCT Werten zu standardisieren. Grundsätzlich wäre der HbA1c als Screeningmethode zur Identifizierung von Diabetikern gut geeignet, ist hierzu bisher allerdings zu teuer. Bei einem HbA1c >6.0% ist ein Diabetes m. fast gesichert, unter 5,2% praktisch ausgeschlossen.

Korrelation zwischen dem HbA1c Spiegel (%) und dem durchschnittlichen Blutzuckerspiegel

HbA1c Spiegel (%)

Blutzuckerspiegel mg/dl (mmol/l)

4 65(3,5)
5 100 (5,5)
6 135 ( 7.5)
7 170 (9.5)
8 205 (11.5)
9 240 (13.5)
10 275 (15.5)
11 310 (17.5)
12 345 (19.5)
Nach Rohlfing CL et al und den amerikanischen Leitlinien Diabetes Care 26: s33-50(2003). [Full Text], wie sich leicht erkennen lässt. wird davon ausgegangen,

dass ein durchschnittliches Ansteigen des mittleren BZ um 35 mg/dl einen HbA1 Anstieg um 1% bewirkt


Möglicherweise ist die Höhe des HbA1c auch bei Nichtdiabetikern ein Risikofaktor für Gefäßerkrankungen. Ein Wert unter 5% scheint mit dem niedrigsten Herzinfarktrisiko verknüpft zu sein. Jede Erhöhung um 1% führte in einer Beobachtungsstudie bei Männern zu einem um 24% und bei Frauen um 28 % erhöhten Risiko am Herzinfarkt zu sterben. Diese Auswirkung scheint von Alter, BMI, Blutdruck, Cholesterinwerte, Zigarettenkonsum oder bereits bestehender KHK unabhängig zu sein. Auch für Nichtdiabetiker kann also möglicherweise ein Langzeitzuckerwert im oberen Normalbereich das Risiko für Gefäßkrankheiten erhöhen. Khaw et al. Ann Intern Med.2004; 141: 413-420 Bei Patienten mit Typ 1-Diabetes mellitus wird das Risiko einer Retinopathie, durch normnahe Blutzuckereinstellung um 76% gesenkt (HbA1c-Senkung von 9,1 auf 7,1%). Liegt bereits eine milde bis mäßige nichtproliferative Retinopathie vor, kann die normnahe Blutzuckereinstellung (HbA1c-Senkung von 9,1 auf 7,1%) das Risiko des Fortschreitens langfristig maximal um 54% reduzieren. Der Effekt wird erst nach 4-5 Jahren klinisch sichtbar [DCCT, 1993, EK IIb]. Somit führt eine langfristige HbA1c-Senkung zu einer Senkung des Risikos einer Retinopathie. Bei Patienten mit Typ 2-Diabetes mellitus führt eine intensivierte Blutzuckereinstellung (HbA1c-Senkung von 7,9% auf 7,1%) zu einer signifikanten Senkung der Notwendigkeit einer Laserkoagulation [UKPDS 33, 1998, EK Ib]. Die Inzidenz klinischer Komplikationen nimmt auch beim Typ 2 Diabetes dramatisch ab, wenn der Blutzuckerspiegel normalisiert wird. Jedes 1 % um das das HbA1c reduziert wird, führt zu einer Verminderung der Komplikationsrate um 21%. Dabei gibt es keinen Schwellenwert (Diabetes bedingte Todesfälle, Herzinfarkte, Mikrovaskuläre Komplikationen wie Retinopathie und Nephropathie. Irene M Stratton, Amanda I Adler, H Andrew W Neil, David R Matthews, Susan E Manley, et al. Association of glycaemia with macrovascular and microvascular complications of type 2 diabetes (UKPDS 35):prospective observational study, BMJ VOL 321, 12 AUGUST 2000 www.bmj.com Bei Patienten mit unzureichend eingestelltem HbA1c und bestehender Retinopathie und/oder Makulopathie muss vor jeder Therapieintensivierung eine Netzhautuntersuchung in Mydriasis erfolgen, weil eine rasche Therapieintensivierung zu einem vorübergehenden Fortschreiten der Retinopathie führen kann. Es wird davon ausgegangen, dass ähnlich der Anlagerung an das Hämoglobin sich Glucose aus dem Blut auch an andere Proteine im Körper anlagert, zunächst schnell durch Bildung eines Aldimins (Schiff- Base) und potentiell reversibel, dann in Form einer langsameren Amadori-Umlagerung die nicht mehr reversibel ist. Diese Veränderung körpereigener Eiweiße ist vermutlich auch für andere diabetische Komplikationen wie die Nephropathie (Nierenschädigung) und Polyneuropathie verantwortlich. Eventuell lassen sich solche Schäden durch Behandlung mit dem Proinsulin C-Peptid bessern. Diabetes 52:536-541, 2003Solche veränderten Eiweiße lassen sich auch unter der Haut nachweisen. (DCCT und EDIC -Studie). Es handelt sich dabei um einen Langzeiteffekt. Akute Fehler in der Einstellung beeinflussen vermutlich weniger diese Langzeitprognose obwohl sie kurzfristig bereits zu einem Ansteigen des HbA1c führen können. Längerfristig hohe HbA1c Erhöhungen führen vermutlich zu nicht mehr durch verbesserte Einstellung reversiblen Schäden. (Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle der diabetischen Retinopathie und Makulopathie) Falsch niedrige Werte (d.h. fälschlicherweise zu gute Werte) ergeben sich beim Vorliegen von Blutarmut (‚Eisenmangel oder B12-Mangel- Anämie haemolytische A. ) sowie bei Schwangeren, bei terminaler Niereninsuffizienz können durch abnorme HbAF oder HbAS zu hohe Werte gemessen werden. Die Einstellung auf einen möglichst niedrigen HbA1c- Wert verringert das Risiko von Spätkomplikationen des Diabetes erheblich, dabei wird aber eine deutliche Erhöhung des Risikos von Hypoglykämien in Kauf genommen. Neben dem Hämoglobin lagern auch andere Eiweiße Glukose an. Beispiele für glykolisierte Proteine sind Kollagen (Bindegewebe der Basalmembranen, Haut, Sehnen, Gefäße, Lunge), Albumin, LDL, Fibrinogen, Myelinproteine, Proteine der peripheren Nerven, Crystallin der Augenlinse, Knochenproteine,.. Die Glykolisierung dieser Proteine wird als eine der wesentlichen Ursachen der Folgeerkrankungen des Diabetes angesehen. Üblicherweise wird die Glykolisierung nur für das Hb bestimmt, das HbA1c geht aber parallel zur Glykolisierung der anderen Proteine. Der Einfluss des Blutzuckerspiegels auf die Glykosylierung des Hämoglobins nimmt nach eine Dissertation anscheidend mit zunehmender Dauer der Diabetes-Erkrankung ab: sagt ein HbA1c von etwa 7,6 % bei einer Diabetes-Dauer unter etwa 9 Jahren noch einen mittleren Blutzucker von ca. 134 mg/dl voraus, so sind es bei einer Diabetes-Dauer über 9 Jahren schon ca. 156 mg/dl. Das absolute Alter des Patienten hat dabei keinen Einfluss, lediglich die Dauer der Diabetes-Erkrankung ist entscheidend. Der Einfluss der Diabetesdauer auf die Beziehung zwischen HbA1c und mittlerem Blutzucker ist interessant. Mit zunehmender Dauer des Diabetes nimmt die Glykosylierung des Hämoglobins relativ zum Blutzuckerspiegel ab. Das Hämoglobinmolekül scheint sich also mit der Zeit an die – auch beim gut eingestellten vorliegende – Hyperglykämie des Diabetikers „anzupassen“ und prozentual zum Blutzuckerspiegel immer weniger Glukose zu binden. Eine Art „Gewöhnung“ oder Toleranzentwicklung tritt ein. Nach dieser Theorie ist der Einfluss des Blutzuckerspiegels auf die Ausbildung der diabetischen Spätschäden in den ersten Jahren der Diabetes-Erkrankung wesentlich größer als in den darauf folgenden Jahren. Für den Typ-II-Diabetiker ist schon seit einigen Jahren bekannt, dass sich bereits vor der Manifestation des Diabetes ausgeprägte makroangiopathische Veränderungen entwickeln können (sog. „metabolisches Syndrom“). Umgekehrt bedeuten die vorliegenden Ergebnisse aber auch, dass die ersten Jahre der Diabetes-Erkrankung entscheidend für die Ausbildung von Spätschäden sind. Hier sind die Gewebe wesentlich empfänglicher für eine Glykosylierung und reagieren wesentlich stärker auf einen erhöhten Blutzucker als in späteren Jahren der Erkrankung. Je länger der HbA1c als Maß für die Glykosylierung zu hoch ist, desto ausgeprägter werden die diabetischen Spätschäden später sein, auch wenn dies möglicherweise zum aktuelle Zeitpunkt noch nicht sichtbar ist. Gerade bei Kindern ist demnach auf eine möglichst gute Einstellung zu achten. Alleine ein guter HbA1c schützt allerdings nicht vor den Folgen des hohen Zuckers. Der HbA1c Wert misst das Risiko für eine Mirkroangiopathie, Makroangiopathien gehen eher mit den postprandialen Zuckerwerten parallel. Isolierte postprandial Hyperglykämien (2-Stunden nach dem Essen ein Glukosespiegel >140 mg/dL [>7.8 mmol/L]) auch bei einem normalen Nüchternblutzucker <110 mg/dL [<6.1 mmol/L]) und normal Hämoglobin A1c (<6.1%) Wert verdoppeln das Risiko für Tod durch eine kardiovaskuläre Erkrankung. Zumindest bei Typ 2 Diabetikern scheint ein hoher HbA1c Wert die Gedächtnisleistung zu verschlechtern. Akut verbessert ein hoher Zuckerwert für 15 min die Merkfähigkeit, nach 30 min ist aber das Ergebnis unterhalb des Wertes bei normalem Blutzucker. Der HbA1c ist der optimale Wert zur Kontrolle der langfristigen Blutzuckereinstellung beim Diabetiker. Allerdings sagt ein niedriger HBA1c nicht immer, dass der Zucker gut eingestellt ist, Fehler kommen auch hier vor. So kann ein allgemeiner Hb- Abfall auch zu einem Abfall des HBA1c führen, auch Sonderformen des Hb kommen vor. Insgesamt, ist bei hohen Blutzuckerwerten und niedrigem HBA1c deshalb eine Suche nach der Ursache der nicht zusammen passenden Werte indiziert.

Achtung neue Messmethode

Nach der neuen Messmethode liegt der HbA1c-im Grenzbereich etwa 1/3 niedriger als die bisher gewohnt, wenn die Werte weiter in % angegeben werden. Deshalb werden die mit der neuen Standardisierung erhaltenen Ergebnisse in der Einheit [mmol/mol Hämoglobin] anzugeben. Der Referenzbereich Gesunder liegt dann bei 28–38 mmol/mol Hb.

Da Ärzte und Patienten über Jahre an die NGSP-standardisierte Einheit ( (NGSP= National Glycohemoglobin Standardization Program) und Wertlage gewöhnt sind, empfehlen die Fachgesellschaften bis auf Weiteres die Ergebnisse in beiden Einheiten, also standardisiert nach NGSP [%] und IFCC IFCC =International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine [mmol/mol Hb], nebeneinander anzugeben. Die Umrechnung erfolgt über eine Näherungsformel

HbA1c (IFCC) [mmol/mol Hb] = (HbA1c (NGSP) [%] 2 2,15)/0,0915

bzw. HbA1c (NGSP) [%] = HbA1c (IFCC) [mmol/mol Hb] * 0,0915 + 2,15

 

Quellen / Literatur:

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Dissertation Husmann, Anette, Neue Aspekte über die Beziehung zwischen HbA1c und mittlerem Blutzucker bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus in Abhängigkeit von der Dauer der Diabeteserkrankung August 2002. unter http://www.diss.fu-berlin.de/2002/165/index.html Rohlfing CL, Wiedmeyer HM, Little RR, England JD, Tennill A, Goldstein DE: Defining the relationship between plasma glucose and HbA1c: analysis of glucose profiles and HbA1c in the Diabetes Contrrol and Complications Trial. Diabetes Care 25:275–278, 2002 Retinopathy and Nephropathy in Patients with Type 1 Diabetes Four Years after a Trial of Intensive Therapy,The Diabetes Control and Complications Trial/Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications Research Group, Abstract | Full Text, N Engl J Med 2000; 342:381-389, Feb 10, 2000, The Diabetes Control and Complications Trial Research Group. The effect of intensive therapy of diabetes on the development and progression of long-term complications in insulin-dependent diabetes mellitus. N Engl J Med 1993;329:977-986, Salahudeen, A. K. (2002). Halting progression of renal failure: consideration beyond angiotensin II inhibition. Nephrol Dial Transplant 17: 1871-1875 [Full Text] Krishnamurti, U., Steffes, M. W. (2001). Glycohemoglobin: A Primary Predictor of the Development or Reversal of Complications of Diabetes Mellitus. Clin Chem 47: 1157-1165 [Abstract] [Full Text] De Vriese, A. S., Verbeuren, T. J., Van de Voorde, J., Lameire, N. H., Vanhoutte, P. M. (2000). Endothelial dysfunction in diabetes. Br. J. Pharmacol. 130: 963-974 [Abstract] [Full Text] Tests of Glycemia in Diabetes, Diabetes Care, January 1, 2003; 26(90001): s106 – 108. John E. Gerich, Clinical Significance, Pathogenesis, and Management of Postprandial Hyperglycemia, Arch Intern Med.2003;163:1306-1316.ABSTRACT | FULL TEXT | PDF Carol E. Greenwood, Randall J. Kaplan, Stacey Hebblethwaite, and David J.A. Jenkins arbohydrate-Induced Memory Impairment in Adults With Type 2 Diabetes Diabetes Care 2003 26: 1961-1966. [Abstract] [Full Text]

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur