etwa 980.000 Menschen in Deutschland (m:f = 2:1)leiden unter einer Leberzirrhose, von diesen haben etwa 40 Prozent eine manifeste Hepatische Enzephalopathie (durch Leberleiden bedingte Hirnschädigung), 35 Prozent haben eine latente, subklinische hepatische Enzephalopathie. In den Industrieländern ist Alkohol die Hauptursache der Leberzirrhose (Leberschrumpfung), in Afrika und Asien ist überwiegend die Hepatitis B und Hepatitis C Ursache der Leberzirrhose.
Ursächlich für die Hepatische Enzephalopathie ist, dass durch die verminderte Entgiftungsleistung der Leber der Ammoniakspiegel im Blut und im Gehirn ansteigt. Der Ammoniakspiegel im Blut kann aber auch bei schwerer Enzephalopathie normal sein. Ammoniak wird bei der Spaltung von Eiweiß im Darm gebildet, in der Leber wird es normalerweise im Harnstoffzyklus eliminiert. Auch Merkaptane (schwefelhaltige Substanzen) spielen möglicherweise eine Rolle. Durch das erhöhte Ammoniak wird im Gehirn die Produktion der Neurotransmitter gestört, es kommt zu einer postsynaptische Sensibilisierung der GABA-Rezeptoren und Überaktivität des GABA-ergen Systems, und zu einem Anstieg endogener Benzodiazepine sowie zur Induktion von Histamin-Rezeptoren. Astrozyten schwellen durch angereichertes Glutamin an, es kommt zu einer Störung der Astrozytenfunktion mit Störung der glioneuronalen Kommunikation. Durch eine Störung der der Blut – Hirnschranke kann ein Hirnödem auftreten.
Symptomatisch kommt es zu Bewusstseinstörungen, einer Störung von Konzentration und Aufmerksamkeit, Verlangsamung, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Dysarthrien (verwaschene Sprache), psychiatrischen Symptomen wie Stimmungsschwankungen, vermehrte Reizbarkeit, Depressionen bis hin zur Psychose, es tritt ein fein- oder grobschlägiges Zittern Hände, ein „Flappingtremor oder eine Asterixis auf. Es liegt häufig auch ein typischer Geruch vor. Die Diagnose wird bei der manifesten Hepatischen Enzephalopathie klinisch gestellt. Für die Erkennung der latenten oder subklinischen Hepatischen Enzephalopathie sind psychometrische Testverfahren erforderlich. Die Fahrtüchtigkeit ist in der Regel auch bei subklinischer hepatischer Enzephalopathie nicht mehr gegeben (Ärzte Woche, 18. Jg., Nr. 25, 2004). Einfache Test wie der Liniennachfahrtest oder der Zahlenverbindungstest- Mitarbeit vorausgesetzt, helfen bei der Diagnose. Mit dem Zahlen-Verbindungstest, lässt sich auf einfache Weise die Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie Konzentrationsfähigkeit und Feinmotorik testen. Auch Handschriftenproben, einfache Rechentests, Sternlegetest, Konstruktionstests und der Liniennachfahrtest finden Verwendung. Daneben werden manchmal apparative Reaktionstests eingesetzt. Die Genauigkeit der Ammoniakbestimmungen ist unterschiedlich diskutiert worden. Andere zuverlässige Laborparameter fehlen. Aterielle
Blutproben erzielen genauere Werte als venöse Ammoniakkonzentrationsbestimmungen sind aber komplikationsträchtiger. Wichtig ist, dass das Serum sofort untersucht wird. Es gibt entsprechende Schnelltests.
Das EEG zeigt häufig typische Veränderungen, ebenso die evozierten Potentiale. Computertomographie oder der Kernspintomographie werden nur zum Ausschluss anderer Ursachen genutzt. Therapieziel ist, den Ammoniak-Spiegel zu senken. Die Eiweißaufnahme muss vermindert werden, mit vegetarischer Ernährung gelingt dies meist einfacher. Alkoholabstinenz ist Pflicht, Laktulose ist fraglich wirksam, verzweigtkettige Aminosäuren (L-Ornithin-L-Aspartat) und Antibiotika (Neomycin) werden eingesetzt, die Behandlung erfolgt sonst symptomatisch. Die Studienlage ist insgesamt noch nicht gut. So ist strittig ob Lactulose/Lactitol wirksam ist.
Die Prognose ist langfristig schlecht, dennoch kann nach akutem Auftreten auch längere Zeit eine Besserung eintreten, der Verlauf kann auch rezidivierend, chronisch oder fulminant sein. Die Beseitigung auslösender Faktoren zu einer Besserung der Erkrankung oder Symptomfreiheit führen. Einnahme von Sedativa, Hypnotika, Neuroleptika und andere Medikamente, Diätfehler, bakterielle Infektionen, Sepsis, Störungen des Elektrolyt- oder Säure-Basen-Haushalts, gastrointestinale Blutungen, Transfusionen, Diarrhö, Erbrechen, können akute Verschlechterungen auslösen und werden entsprechend behandelt. Die Eiweißzufuhr muss eingeschränkt werden. Infekte müssen antibiotisch behandelt werden. Für ausreichende Flüssigkeitszufuhr muss gesorgt werden.
Wenn eine Lebertransplantation erfolgt ist die Symptomatik meist rückbildungsfähig.
Differenzialdiagnostisch müssen auch bei vorliegender Leberzirrhose andere Ursachen der Verwirrtheit ausgeschlossen werden: Subdurales Hämatom, intrakranielle Blutung, Hyponatriämiebedingtes Koma, akutes Alkoholdelir, Wernicke-Enzephalopathie, Morbus Wilson, Schlaganfall.
Hepatische Enzephalopathie | ||||
Stadium | Diagnosekriterium | Asterixis | EEG | Tests |
0 | Leberzirrhose ohne jegliche Abnormitäten | |||
subklinisch | Normaler klinisch-neurolog. Status, manchmal leichte feinmotorische Störungen. | + | ||
1 | Erkennbare Minderung der Bewusstseinslage, Unklare, verlangsamte Sprache, Verlangsamung, Stimmungsschwankungen Schlafstörungen, Apraxie, Handschrift gestört, Fingertremor, Rechenstörung, Merk- und Konzentrationsstörungen Erregbarkeit |
meist | + | |
2 | Orientierungs- und Gedächtnisstörungen, lethargisch, dösig, Ataxie, Dysarthrie, Hyperreflexie oder Hyporeflexie, flapping Tremor, Ataxie, verwaschene Sprache, Gähnen, Grimassieren |
+ | + | + |
3 | Somnolenz, Stupor, Inkohärenz, aufs Schwerste verwirrt, Sprachzerfall, Perseverationen, Pyramidenbahnzeichen |
+ | + | +(soweit durchführbar) |
4 | Koma Hepaticum (nicht weckbar), erweiterte Pupillen Areflexie, Tonusverlust oder generalisierte Streckhaltung | + | ||
+ = auffällig |
Quellen / Literatur:
- Maier, K. P. Therapie der hepatischen Enzephalopathie DMW 48, 1988
- Hepatische Enzephalopathie – Evaluationsbogen DMW 50, 2003 (Hepatologie)
- Wettstein, M. Hepatische Enzephalopathie DMW – Deutsche Medizinische Wochenschrift; 50, 2003 (Hepatologie)
- Nolte, W.; Ramadori, G. Diagnostik der hepatischen Enzephalopathien DMW 20, 1996
- Nolte, W.; Ramadori, G. Therapie der hepatischen Enzephalopathien* DMW 21, 1996
- Hemker, J.; Wettstein, M.; Häussinger, D.Hepatische Enzephalopathie – Der konkrete Fall DMW 50, 2003 (Hepatologie)
- Wettstein, M.; Kircheis, G.; Häussinger, D. Hepatische Enzephalopathie – Diagnostik DMW 50, 2003 (Hepatologie)
- Gundling, F.; Schepp, W. Diagnostik der minimalen hepatischen Enzephalopathie bei Leberzirrhose: Stellenwert der kritischen Flimmerfrequenzanalyse Zeitschrift für Gastroenterologie; 03, 2008
- Bei welchen hepatischen Erkrankungen tritt eine Enzephalopathie auf? DMW 05, 2003
- Schäfer, K.; Pittner, P. M.; Lütcke, A.; Wehr, M.; Bode, J. Ch Verlaufsbeurteilung der chronischen hepatischen Enzephalopathie: Vergleich verschiedener Meßgrößen unter besonderer Berücksichtigung des Zahlenverbindungstests DMW 28, 1981
- Wettstein, M.; Häussinger, D. Hepatische Enzephalopathie – Therapie DMW 50, 2003 (Hepatologie)
- Häussinger D. Hepatische Enzephalopathie: Klinik und Pathogenese. DMW 2004; 129: S66-S67
- Kircheis, G.; Hemker, J.; Häussinger, D. Hepatische Enzephalopathie – Neue Diagnostik und Standards der Therapie Der Klinikarzt; 08, 2003
- Göbel, R.; Görtzen, A.; Bräunig, P. Enzephalopathien durch Valproat Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie; 01, 1999