Hirnlokales Psychosyndrom

Bezeichnung für ein hirnlokales Syndrom mit im Vordergrund stehenden umschriebenen Leistungs- od. Verhaltensstörungen.

Chronische lokalisierte Hirnschädigungen treten oft unter dem Bild der organischen Wesensänderung in Erscheinung. Man spricht in solchen Fällen vom hirnlokalen Psychosyndrom. Trotz unterschiedlicher Lokalisation findet sich dabei meist eine ähnliche Grundsymptomatik. Kennzeichnend sind Störungen des Antriebs und der Stimmung, vor allem plötzliches Einschießen von Trieben und Verstimmungen. Bewußtseins- und Gedächtnisstörungen fehlen häufig. Höhere Denkleistungen wie Selbstkritik und planender Überblick können beeinträchtigt sein. Nach den Lokalisationen wird dabei hypothetisch unterschieden in verschiedene hirnlokale Syndrome, deren Spezifität aber umstritten ist:
Stirnhirn-Syndrom Im Vordergrund stehen Antriebs- und Interesselosigkeit. Perseverationsneigung, verminderte Sprachproduktion, verminderte Umstellungsfähigkeit und Aufmerksamkeitsleistung, spontanes Errinnern vermindert.
Orbitofrontalhirn-Syndrom Im Vordergrund stehen Witzelsucht, Verlust des Taktgefühls, Distanzlosigkeit, Enthemmung.‘ Reizbarkeit, unkonzentriert, leicht ablenkbar.
Stammhirn-Syndrom Im Vordergrund stehen Neigung zu dysphorischen oder euphorischen Verstimmungen, apathischem Antriebsverlust, Stimmungsund Triebentladung.
Zwischenhirn-Syndrom Charakteristisch sind plötzliches Einschießen, periodisches Auftreten von impulshaften Triebentladungen im oralen und sexuellen Bereich sowie ggf. dranghaftes Fortlaufen.
Temporalhirn-Syndrom Charakteristisch sind plump-vertrauliches, süßlich-betuliches klebriges Sozialverhalten, perseveratorisches Haften im Denken und Handeln, intensive Beschäftigung mit religiösen, philosophischen oder anderen abstrakten Themen, ggf. Mißtrauen und aranoides Denken, Umständlichkeit und Langsamkeit, Neigung zu aggressiven Ausbrüchen, verändertes Sexualverhalten.
Klüver-Bncy-Syndrom Eine schwere Triebenthemmung im sexuellen und oralen Bereich mit auch ungeeigneter Objektwahl, die als Folge von Temporallappenläsionen auftritt.
Rechtshemisphärisch bedingte organische affektive Störung Änderung in der Fähigkeit, Emotionen auszudrücken oder zu verstehen. Obwohl der Patient oberflächlich depressiv erscheint, liegt meistens keine eigentliche Depression vor. Es kommen aber auch schwere Depressionen vor.

Delir-

Demenz –

Amnestisches Syndrom –

Bewusstsein

getrübt

ohne Befund (o.B.)

o.B.

Intellekt

reduziert

reduziert

o.B.

Gedächtnis

reduziert

reduziert

reduziert

Orientierung

reduziert

evnt. reduziert

reduziert

Denken

Halluzinationen; Illusionen

o.B.

Konfabulose = Pareidolie

Stimmung

verändert: von Extase bis Depression

Depression, vor allem wenn sich der Erkrankung bewußt

o.B. oder wie unter Demenz

Persönlichkeit

verändert

verändert

o.B.

Verlauf

rasch

langsam

rasch

Ursachen

Intoxikation (Alkohol, Drogen), Infektion, Hypoglykämie (Unterzuckerung)

ZNS- Erkrankungen, Multiinfarkt, Morbus Alzheimer

Thiaminmangel ,

Isolierte Veränderungen im Rahmen einer organischen Psychosyndroms

Wahn

Halluzinose

Affektstörung

Persönlichkeitsstörung

Bewusstsein

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

Intellekt

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

Gedächtnis

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

Orientierung

o.B.

o.B.

o.B.

o.B.

Denken

Wahn,

Halluzinationen

o.B.

o.B.

Stimmung

o.B.

o.B.

manisch oder depressiv

o.B.

Persönlichkeit

o.B.

o.B.

o.B.

verändert – kann nur durch Angehörigen/ guten Bekannten erkannt werden

Ursachen

alle ZNS Erkrankungen, Infektionen, Traumen, Tumore, Intoxikation

alle ZNS Erkrankungen, Intoxikation, vor allem mit Alkohol

ZNS Störungen, abhängig vom der Lokalisierung des zerstörten Gewebes, Vergiftungen, u.a. mit Schwermetallen

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur