Interpersonelle Psychotherapie

störungsspezifische Form der Kurzzeit-Psychotherapien, die vom amerikanischen Psychiater Gerald Klerman, seiner Frau Myrna Weissman in den 60er Jahren zur Behandlung rezidivierender depressiver Störungen entwickelt wurde. Schulenübergreifendes Verfahren, theoretische Grundlagen in der interpersonellen Schule nach Sullivan, Bindungstheorie nach Bowlby. Die Wirksamkeit des Verfahrens ist auch für postpartale Depressionen, Essstörungen und Soziophobie belegt. Die IPT greift auf das medizinische Modell der Depressionsgenese zurück und arbeitet überwiegend im Hier-und- Jetzt. Dabei wird auf spezifische interpersonelle Problembereiche (Trauer, Rollenwechsel, interpersoneller Disput, soziale Defizite) fokussiert, die im Zusammenhang mit der depressiven Symptombildung stehen. Die Therapieform wird auch bei Essstörungen, Süchten und bipolaren Störungen eingesetzt. Die interpersonelle Psychotherapie nutzt auch Elemente der psychodynamischen Theorie unter besonderer Fokussierung auf die soziale Funktionsfähigkeit. Die Übertragung in der therapeutischen Beziehung wird dabei aber in der Regel nicht thematisiert. Die therapeutische Beziehung wird aktiv eingesetzt, der Therapeut versteht sich als Anwalt des Patienten. Sie integriert aber auch Wirkfaktoren aus anderen Psychotherapierichtungen. Sie arbeitet sowohl mit den bewussten als auch mit unbewussten Inhalten und dem Ziel der Symptomreduktion mit einer Besserung der sozialen Kompetenz und Erweiterung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Die zeitliche auch 12-16 Wochen begrenzte Therapie wurde speziell für die Depressionsbehandlung entwickelt, primär werden die aktuellen interpersonellen Beziehungen des Patienten. Als spezifisch für die Interpersonelle Psychotherapie wird erachtet, dass diese Strategien insbesondere für die psychotherapeutische Bearbeitung der als bedeutsam diagnostizierten Foki der Patienten eingesetzt werden. Im Verständnis der Interpersonellen Psychotherapie werden psychische Störungen vor allem als misslungene Versuche betrachtet, sich an belastende Umweltbedingungen (z. B. Verlust von Bezugspersonen) anzupassen, wobei das psychosoziale und interpersonelle Umfeld der jeweiligen Personen eine zentrale Rolle spielt. Unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus der Entwicklungspsychologie, Neuropsychologie und der Verhaltensbiologie werden das Grundbedürfnis nach engen persönlichen Bindungen und die damit verbundenen Emotionen als besonders bedeutsam erachtet. Am Beispiel der Depression kann das heißen: Die IPT begründet sich auf dem interpersonalen Ansatz der Psychiatrie, dem die Hypothese zugrunde liegt, dass sich psychiatrische Erkrankungen und hier Depressionen im interpersonellen Kontext entwickeln: Zwischenmenschliche Probleme können zum Ausbruch und zur Aufrechterhaltung einer depressiven Episode beitragen bzw. durch die Depression bewirkt werden. Durch die Verbesserung des interpersonellen Funktionsniveaus des depressiven Patienten innerhalb der IPT wird die Genesung aus der depressiven Phase und Lösung eines wichtigen aktuellen interpersonellen Problems gebahnt. Trauerreaktionen oder Verlusterlebnisse werden mit einer Hilfestellung bei der Trauerarbeit und der Ermutigung zum Eingehen neuer Beziehungen behandelt. Zwischenmenschliche Rollenkonflikte und Konflikte mit nahestehenden Personen werden behandelt, in dem Strategien zur Konfliktlösung erarbeitet werden, und die Lösung aus nicht änderbaren negativen Beziehungen erleichtert wird. Rollenwechsel und Veränderungen die Stress erzeugen und das Selbstsystem bedrohen werden behandelt, in dem den Patienten geholfen wird sich wieder Herr seiner neuen Rolle zu begreifen. Defizite im Zwischenmenschlichen Kontakt werden aus der Vorgeschichte des Patienten reflektiert, gegenwärtige unbefriedigende Beziehungen werden thematisiert. Dabei werden Strategien entwickelt um soziale Fertigkeiten aufzubauen, die soziale Isolation zu vermindern und und unterstützende Beziehungen zu erhalten und aufzubauen. In der diagnostischen Anfangsphase werden diejenigen interpersonellen Beziehungsmuster identifiziert, die dann in der mittleren Phase nach Absprache von Therapeut und Patient besonders fokussiert werden. Es geht dabei um depressionstypische Themen wie unbewältigte Trauer, Rollenkonflikte, Rollenübergänge und soziale Isolierung. In der Endphase wird der Therapieprozess bilanziert, Fortschritte werden verstärkt und die bevorstehende Beendigung angesprochen. Auftretende Schwierigkeiten werden als Lernmöglichkeiten zur Reduzierung zukünftiger depressiver Vulnerabilität aufgegriffen. Insgesamt liegt der Interpersonellen Psychotherapie jedoch kein eigenes umfassendes Theoriegebäude der Ätiologie, Pathogenese und Behandlung von psychischen Störungen zugrunde. Die Wurzeln der Interpersonellen Psychotherapie gehen auf Harry Stack Sullivan, John Bowlby und Adolf Meyer zurück. Gerald Klerman und Myrna Weissman haben die Interpersonelle Psychotherapie in den 1980ern operationalisiert und in Behandlungsstudie zu Depressionen die Wirksamkeit nachgewiesen. In Hinblick auf depressive Störungen wird von einer multifaktoriellen Kausalität ausgegangen: Biologische und psychologische Vulnerabilität, Persönlichkeitsmerkmale und akute Auslöser, v. a. erlebte Verluste, tragen zur Entwicklung von Depressionen bei. Für die Auslösung und die Aufrechterhaltung der Depression sind insbesondere aktuelle psychosoziale und interpersonelle Faktoren von Bedeutung. Depressionen können zudem ihrerseits zur Auslösung und/oder Aufrechterhaltung interpersoneller Probleme führen. Das Verstehen und das therapeutische Bearbeiten dieses Kontextes werden als entscheidend sowohl für die Remission der Depression als auch für die Prävention eines Rückfalls erachtet.

Folgende Techniken kommen zum Einsatz:

  • Unterstützung des Patienten bei der Klärung emotionaler Zustände, Realitätsüberprüfung der aktuellen Wahrnehmnungs- und Verhaltensweisen mit dem Ziel der Verbesserung der interpersonellen Kommunikation
  • Fokussierung auf aktuelle Probleme
  • Die Rolle des Therapeuten besteht darin, das aktuelle Funktionsgefüge („Rolle“) des Patienten zu erfassen, dabei werden insbesondere Mechanismen zur Autoritätsgewinnung, Abhängigkeit, Kränkungen etc. herausgestellt.

Behandlungsphasen:

  • Anfangsphase (1.-3. Sitzung): Identifizierung der Hauptproblembereiche. Dabei wird besonders auf Rollenwechsel (z.B. Rentenbeginn, Mutterschaft, Trennung), interpersonelle Konflikte z.B. in der Partnerschaft, pathologische Trauer, interpersonelle Defizite wie z.B langdauernde Einsamkeit, Wertekonflikt Beziehung vs Karriere fokusiert und in der Regel der wichtigste dieser Bereiche als Hauptproblem zur weiteren Bearbeitung herausgearbeitet und dies sowie das Therapiekonzept dem Patienten erklärt. Die Symptome werden dabei der Krankheit Depression zugeordnet, dem Patienten die Krankenrolle zugeteilt und die Notwendigkeit einer evtl. medikamentösen Behandlung geklärt. Die Symptome werden in einen interpersonellen oder Beziehungskontext gestellt. Die Veränderungswünsche des Patienten hinsichtlich von Beziehungen spielen bei der Entscheidung über den Therapieschwerpunkt eine wesentliche Rolle.
  • Mittlere Phase (4.-13. Sitzung): Fokussierung und Bearbeitung des jeweils relevanten, aktuellen Problembereichs. Konflikte identifizieren, Verlust Trauer und Veränderung, Handlungspläne entwickeln, Verdeckte Konflikte klären, Klärung von emotionalen Zuständen, Schaffung einer Grundstruktur des Verhaltens, konzentriert auf die aktuellen zwischenmenschlichen Beziehungen, bzw. Unterstützung neue Beziehungen aufzunehmen…
  • Endphase (14.-16. Sitzung): Zusammenfassung des Behandlungsverlaufs, Thematisierung des Abschieds.
    ggf. falls notwendig auch 4-wöchige Erhaltungstherapie planen

Die interpersonelle Psychotherapie gilt inzwischen als gut validierte psychotherapeutische Methode für rezidivierende depressive Störungen und kommt dabei mit einem vergleichsweise geringen Stundenkontingent zurecht. Es handelt sich also um eine pragmatische und damit auch wenig zeitintensive Form der Psychotherapie, die aber zumindest bei Depressionen mit den Ergebnissen anderer Psychotherapieverfahren oder der medikamentösen Behandlung konkurrieren kann. Die Therapie fokussiert primär auf interpersonelle und im psychosozialen Kontext aktuell bedeutsame Themen der Patienten, üblicherweise werden dabei hauptsächlich ein bis 2 Problembereiche fokusiert. Das Verfahren wird keinem anderen Psychotherapieverfahren zugeordnet und setzt vor allem interpersonell relevante Techniken ein, wozu z. B. Rollenspiele, Klärung von Kommunikationsverhalten, Gefühlsaktualisierung in Interaktionen und klärungsorientierte Explorationen gehören.

 

Quellen / Literatur:

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  2. www.interpersonalpsychotherapy.org
  3. Bekanntmachungen: Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie nach § 11 PsychThG – Gutachten zur wissenschaftlichen Anerkennung der Interpersonellen Psychotherapie (IPT) HTML | PDF
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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur