Die Vorstellung, dass psychische Faktoren bei der Entstehung einer Krebserkrankung eine Rolle spielen, hat eine lange Tradition. Auch viele Betroffene sind dieser Meinung, es wurde auch der Begriff einer „Krebspersönlichkeit“ geprägt. Krankheit als Strafe für ungesühnte Schuld, als Folge von erlittener Ungerechtigkeit oder ausgelöst durch zuviel Stress oder den Verlust eines geliebten Partners und ähnliches sind häufige subjektive Krankheitstheorien. Eine Mutmaßung ist, dass „Typ-C-Persönlichkeiten“ die übermäßig kooperativ sind und Mühe haben, negative Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, nach einer Theorie vermehrt an Krebs erkranken. Bewiesen ist bisher keine dieser Theorien. Ein Unfall oder eine schwere Erkrankung wirft bei Betroffenen und Angehörigen immer die Frage nach dem „Warum gerade ich und Warum gerade jetzt“ auf. Dieses sich aus der Verzweiflung nährende Kausalitätsbedürfnis sucht nach Antworten, wo es oft einfach auch keine gesicherte Antwort gibt. Selbstvorwürfe und auch Schuldzuweisungen sind in solchen Situationen erfahrungsgemäß nicht selten und verständlich. Aus seriöser Sicht kann man heute nicht von einer Krebsentstehung durch psychische Bedingungen ausgehen. Wahrscheinlich wird Krebs durch verschiedene Faktoren ausgelöst, die in heute noch nicht bekannter Weise zusammenwirken. Einer dieser Faktoren ist möglicherweise auch die Psyche. Sicher ist, dass es für viele Krebserkrankungen Risikofaktoren gibt. Bekannt ist eine erbliche Veranlagung, also genetische Faktoren. Daneben spielen veränderbare gesundheitsbezogene Verhaltensweisen eine wesentliche Rolle. Hier ist vor allem Rauchen, Alkoholkonsum und Übergewicht zu nennen, fraglich auch allgemein eine gesunde Ernährung. An diesen Risikofaktoren besteht neben den Vorsorgeuntersuchungen das hauptsächliche Potenzial für eine Verminderung der Häufigkeit von Krebs. Bei den Risikofaktoren Rauchen, Alkoholkonsum und Übergewicht spielen psychosoziale Faktoren eine Rolle. Ansonsten kommen Studien, die untersuchten, ob psychosoziale Faktoren für die Krebsentstehung relevant sind, zu widersprüchlichen Ergebnissen. Eindeutige psychische Ursachen für Krebserkrankungen sind damit nicht bekannt. (Siehe auch Med Klin 2007;102:967–79. DOI 10.1007/s00063-007-1128-y). Es gibt bei der Erforschung des Zusammenhanges zwischen Persönlichkeit und Krebs auch methodische Schwierigkeiten. So finden Studien bei Menschen, die regelmäßig unter hohem Zeitdruck stehen, seltener Krebserkrankungen. Andererseits könnte es sein, dass diese Menschen einfach weniger Zeit haben sich ärztlich untersuchen zu lassen und damit die Diagnose Krebs eben später und auch seltener gestellt wird. Brustkrebspatientinnen haben seltener ein Rezidiv oder Metastasen, wenn sie erhebliche biographische Belastungen haben. Erklärung ist dabei vermutlich, dass der Stress eine antihormonelle Wirkung hat.
Es gibt inzwischen einige methodisch ernst zu nehmende Studien, die nachgewiesen haben, dass psychotherapeutisch betreute Tumorpatienten besser (fraglich auch länger) leben als vergleichbare Patienten ohne psychoonkologische Begleitung. Allerdings gibt es zur Zeit ebenso viele Studien, die einen solchen Überlebenszeitvorteil durch Psychotherapie nicht zeigen konnten. Die wissenschaftliche Kontroverse zu diesem Thema ist noch nicht entschieden. In jedem Fall geht es hier nur um eine Verlängerung des Krankheitsverlaufs, nicht um Heilung! Die Behauptung, Krebs könne durch Psychotherapie geheilt werden, ist nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft sicher nicht haltbar. Gesichert ist allerdings, dass eine psychoonkologische Betreuung, abgesehen von einer fraglichen Lebenszeitverlängerung, sich positiv auf die Lebensqualität von Tumorpatienten auswirkt. Sie kann psychische Belastungen reduzieren und zu einer besseren Verträglichkeit der Therapie beitragen. Diese Effekte sind durch eine Vielzahl von Studien belegt. Psychosoziale Beratungsstellen für Krebspatienten
Quellen / Literatur:
Schwarz S, et al. Psyche und Krebs Med Klin 2007;102:967–79 DOI 10.1007/s00063-007-1128-y J. Graham et al. [Abstract] [Full text] [PDF] E. Maunsell, 2001 63: 306-315 [Abstract] [Full Text] Barbara Ehrenreich, an editor at Harper’s Magazine. „Welcome to Cancerland“ Naja Rod Nielsen, Zuo-Feng Zhang, Tage S Kristensen, Bo Netterstrøm, Peter Schnohr, Morten Grønbæk Self reported stress and risk of breast cancer: prospective cohort study BMJ 2005:548, doi:10.1136/bmj.38547.638183.06 (published 15 August 2005) [Abstract] [Abridged PDF] [Full text] [PDF Cher M. Dallal; et al., Long-term Recreational Physical Activity and Risk of Invasive and In Situ Breast Cancer: The California Teachers Study Arch Intern Med. 2007;167:408-415 ABSTRACT | FULL TEXT | PDF