Die 3 diagnostischen Entitäten lakunare Infarkte, Leukoaraiose, und vaskuläre Demenz überlappen sich. Die Sprachverwirrung ist auch unter Fachleuten groß. Die so häufig den Patienten genannten Durchblutungsstörungen des Gehirns sind bisher so unscharf definiert, dass auch Fachleute ihre Daten kaum miteinander vergleichen können. Für ältere Patienten resultiert aus der Befundmitteilung oft eine unnötige Verunsicherung. Vereinfacht könnte man sagen, moderne Technik liefert Bilder, die bisher nur unzureichend verstanden werden. Sehr oft wird unzureichend zwischen einem klinischen Zustand und einem Kernspinbefund unterschieden. Letztere Unterscheidung ist allerdings entscheidend. Griechisch Leuko meint weiß, Araiose meint Rarefizierung. Weitgehend synonym gebraucht werden folgende Begriffe: Weiße Substanzhyperintensitäten, deep white-matter hyperintensities“ white-matter hyperintensities“ Leukoaraiosis, Leukoaraiose, WML, White Matter Lesions, Periventrikulär gelegene Hypodensitäten des Marklagers, „unknown white spots“, Hyperintense lesions (HL), age-related white matter changes (ARWMCs), Subcortical White Matter Lesions. Weitgehend identisch dazu verwendet werden folgende Begriffe mit ursächlicher Zuordnung, bzw. symptomatischer Zuordnung: SAE – subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie, M. Binswanger, Präsenile Demenz, Lower body Parkinson. Gemeint sind hier jeweils die subkortikal als unterhalb der Hirnrinde im sogenannten Marklager gelegenen weißen Flecken im T2 gewichteten Kernspintomogramm. Eine Leukoaraiose ist also zunächst ein radiologischer Befund unklarer Ursache und unklarer Bedeutung. Man sieht dabei meist bilaterale fleckige diffus verteilte Hirngebiete mit so genannten Hyperintensitäten der weißen Hirnsubstanz (engl. white matter (WM)) im T2-gewichteten Kernspinbild. Studien sind mit dem Problem behaftet, dass es eine Vielzahl von verschiedenen Ratingskalen gibt die diese Leukoaraiosen messen sollen, die Übereinstimmung zwischen den Skalen und zwischen den Untersuchern ist teilweise sehr gering. Sicher scheint bei schweren Leukoaraiosen, dass eine verminderte Durchblutung der weißen Substanz, bei normaler Durchblutung der Hirnrinde vorliegt. Der Pathologe findet bei Leukoaraiosen nicht immer einen auffälligen Befund und wenn scheint dieser oft spärlich zu sein. Eine Leukoaraiose findet sich in manchen Studien in 100% der alten Menschen die untersucht wurden.
Lakunen sind kleine Hirninfarkte meist im Stammganlienbereich, im Hirnstamm und im Marklager. Sie werden als kleine, tiefe Infarkte mit einem maximalen Durchmesser von 2 cm definiert. Meist ereignen sie sich in den Versorgungsgebieten der Arteriae lenticulostriatae, welche im Versorgungsgebiet der Arteriae carotis liegen, und den Arteriae thalamoperforantes und paramediani, welche sich im Versorgungsbereich der Arteria basilaris befinden. Multiple Lakunarinfarkte werden als zwei oder mehrere bilateral gelegene lakunare Hirninfarkte definiert. Sie entstehen durch die Kombination von arteriellem Hypertonus, massivem Alkoholmissbrauch (über den daraus resultierenden Bluthochdruck), Alter und charakteristischen, vaskulären Läsionen kleiner perforierender Marklagerarterien.((Stroke. 1999;30:2053-2058.)Herzinfarkte, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und eine Arteriosklerose der A. Carotis zeigen keine Korrelation mit lakunären Infarkten. Sie gelten vielfach als ein Synonym ‚hypertensive Mikroangiopathie‘ oder allgemein zerebraler Durchblutungsstörungen, eine konsequente Behandlung des Hochdrucks kann sie vermutlich verhindern. Kleine Embolien oder eine Gefäßverkalkung bei Diabetes (strittig) können aber ebenso Ursache sein. Je nach Definition gibt es hier Unschärfen und Überlappungen.
Unterschiede zwischen Hirninfakten und Leukoaraiosen bzw. White Matter Lesions, |
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Infarkte | Leukoaraiosen bzw. White Matter Lesions, |
Hypointens im T1- und protondichten Bild, Hyperintens im T2-gewichteten Bild. Gut abgrenzbar, Rand scharf begrenzt wenn periphere Läsion Oft einzeln oder wenige, oft Ausbreitung nach kortikal. Manchmal mit fokaler Erweiterung der Ventrikel und/oder Sulci |
Hyperintens m T2- und protondichten Bild, im T1-gewichteten Bild keine Veränderungen erkennbar. Von punktuell bis diffus konfluierend, oft multiple Ausbreitung, begrenzt auf die weiße Substanz (Mark), Rinde nicht betroffen, Ventrikel und/oder Sulci nicht verändert. |
John O’Brien & Bob Barber, Neuroimaging in dementia and depression Advances in Psychiatric Treatment (2000), vol. 6, pp. 109–119 |
Da sich dei 3 diagnostischen Entitäten lakunare Infarkte, Leukoaraiose, und vaskuläre Demenz überlappen schlagen manche Autoren vor ausgehend von der Klinik den Begriff der subkortikal vaskulären Demenz zusammenfassend für die „Binswanger‘ Demenz und den „Status lakunaris zu verwenden. Möglicherweise spielt die abnorme Durchlässigkeit der Bluthirnschranke eine Rolle in der Entstehung. Eine entzündliche Reaktion mit Beeinträchtigung des axonalen Transports ausgelöst durch eine chronische Ischämie könnte eventuell in der Entstehung eine Rolle spielen. Stroke. 1997;28:1423-1429 Weiße Substanzhyperintensitäten (=Leukoaraiosis) korrelieren mit dem Alter (hauptsächlich) und cerebrovaskulären Risikofaktoren. Histopathologisch handelt es sich um eine Gliose, eine Demyelinisierung, und einen Verlust von Axonen. Man nimmt an, dass degenerative Veränderungen in den kleinen Gefäßen und daraus resultierende Mangeldurchblutung die zentrale Rolle in der Entstehung der in Kernspinbildern erkennbaren weißen Substanzhyperintensitäten spielt. Diese weißen Substanzhyperintensitäten im Marklager findet man häufiger bei lakunären Infarkten als bei Menschen mit kortikalen Infarkten. Es gibt also einen Übergangsbereich. Klinisch werden ca. 20 lakunare Syndrome unterschieden; z.B.: die rein motorische Hemiparese, das rein sensible Hemisyndrom, die sensomotorische Hemiparese, die ataktische Hemiparese und das Dysarthrie und das ungeschickte Hand Syndrom. Diagnostische Kriterien für die klinischen Folgen lakunarer Infarkte gehen allerdings weit auseinander. Ebenso die Kriterien einer vaskulären Demenz, je nach Definition variiert die Häufigkeit der vaskulären Demenz um den Faktor 10. Einigkeit wäre dringlich erforderlich. Vor allem bei klinisch leichteren Syndromen und Zufallsbefunden im Kernspin ist die Kommunikation und Vergleichbarkeit von Studien kaum möglich. Die Verwirrung wird dadurch noch größer, dass die Unterscheidung zwischen vaskulärer Demenz und M. Alzheimer ebenfalls schwierig geworden ist, nach dem deutlich wird, dass vaskuläre Veränderungen auch beim M. Alzheimer eine wesentliche Rolle spielen. Es ist unklar, ob es sich bei vaskulären und Alzheimerdemenzen tatsächlich um verschiedene Erkrankungen handelt, oder ob nicht vaskuläre Veränderungen einfach bei Alzheimerkranken zusätzliche neurologische Symptome bedingen. Hinzu kommt, dass in moderneren Theorien des M. Alzheimer die Durchblutung ebenfalls wieder eine wichtige Rolle spielt. Ob und wie viel eine Leukoaraiosis über die kognitive Leistungsfähigkeit eines Menschen aussagt, ist weiter unklar. Es handelt sich um einen Kernspinbefund, dessen Bedeutung nur zum Teil verstanden wird und der nicht immer parallel zu Symptomen geht. Es gibt kaum einen Befund in der Neurologie der so kontrovers gesehen wird, wie eine Leukoaraiosis (Stroke. 1995;26:1293-1301.) In einer neuen Studie war ein solcher Effekt nur bei schlechter Bildung nachweisbar, bei guter Bildung bestand keine Korrelation. Interessant ist übrigens auch eine Studie, die die Häufigkeit solcher weißer Flecke bei Schwindelpatienten genauso häufig sind, wie bei Patienten ohne Schwindel. Die Durchblutungsstörungen sind also keine häufige Schwindelursache. Bei über 70 jährigen findet man solche Veränderungen bei immerhin 49% der nicht dementen Freiwilligen. Im Vergleich zu Gesunden sind sie etwas verlangsamt, hatten Probleme mit der Aufmerksamkeit, und zeigen Schwierigkeiten bei den exekutiven Funktionen. Das episodische wie auch das Arbeitsgedächtnis waren in dieser Studie nicht beeinträchtigt. WMHs können sich in spezifischen neurologischen und neuropsychiatrischen Symptomen manifestieren, sie rufen allerdings selten eine allgemeine kognitive Beeinträchtigung hervor, letztere tritt eher bei allgemeiner Hirn- Atrophie auf. (Stroke. 2000;31:2182-2188.)Schwere Leukoariaiosen sind im Alter generell häufig, bei schweren Depressionen im Alter sind Leukoariaiosen noch häufiger und sollen Hinweise auf eine schlechtere Prognose (hinsichtlich Chronifizierung und Rückfallhäufigkeit) geben. Leukoariaiosen begünstigen eventuell Depressionen im Alter, sie beeinflussen vermutlich nicht den Verlauf kognitiver Störungen beim M. Alzheimer. Urininkontinenz und eine Gangstörung mit Fallneigung scheint eine häufige Folge einer schwereren Leukaraiose und gehört auch zu den ersten Symptomen, die eine tatsächliche vaskuläre Demenz begleiten. Problem ist hier im Einzelfall, ab wann eine Leukoaraiose als schwer genug zu bezeichnen ist, um vorhandene Symptome zu erklären. Die Tatsache, dass Symptome vorhanden sind und dass gleichzeitig sichtbare Veränderungen im Kernspinbild vorhanden sind, bedeutet noch keine Kausalität. Dennoch eindeutig schwere bildmorphologische Veränderungen zeigen ein vorzeitiges Altern des Gehirns an und sind mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität für verschiedenste Erkrankungen vergesellschaftet. Am ehesten trifft dies allerdings zu, wenn Inkontinenz und Gangstörungen vorhanden sind. (NEUROLOGY 2000;54:90–94) Das Vorliegen einer Gangstörung im Alter ist dabei umgekehrt häufig ein Hinweise auf eine beginnende vaskuläre Demenz, auch wenn noch keine anderen Symptome vorhanden sind. Es handelt sich also um ein Frühsymptom. (New Engl.J.Med 347:1761-1768 November 28, 2002) Aktuell ist die Verwirrung in der medizinischen Literatur bezüglich des Umgangs mit den genannten Kernspinveränderungen noch groß, eine Vereinheitlichung von Diagnosekriterien steht noch aus. Relevante Autoren mahnen zur Vorsicht in der Interpretation der Kernspinveränderungen. „Sowohl periventrikuläre als auch “ deep white-matter hyperintensities“ korrelieren mit einem Rückgang der Intelligenz, aber bei gesunden 80 jährigen erklären die kumulativen Wirkungen dieser Veränderungen nur einen kleinen Teil der Unterschiede in den kognitiven Fähigkeiten bei den Menschen mit altersbedingten Unterschieden in den kognitiven Fähigkeiten. Die Interpretation des Vorhandenseins und der Schwere dieser radiologischen Veränderungen sollte im diagnostischen Kontext und vorsichtig erfolgen.“ (Ellen Garde et al Lancet 2000; 356: 628–34). 356:Siehe auch unter Stumme Hirninfarkte und “ Eine Leukoaraisose muss nicht zwingend mit der Diagnose einer vaskulären Demenz verknüpft sein. Vielmehr bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen kognitiven Ausfällen (eher leicht) und bildgebendem Befund (ausgeprägt). Deshalb muss die Aufklärung über die Leukoaraiose vorsichtig und ohne Verunsicherung des Patienten erfolgen. (Hamann und Liebtrau 2002, S 235) Die Unterscheidung zwischen bedeutungslosen Altersveränderungen und klinisch signifikanten Veränderungen ist im Kernspin nicht möglich. Leukoaraisosen können verschiedenste Ursachen haben. Neben einem M. Binswanger (SAE) kommen Kollagenosen wie ein Lupus Erythematodes, eine Pararteriitis nodosa, eine granulomatöse Angiitis CADASIL, infektiöse Ursachen wie HIV- Demenz, Syphilis, Progressive Multifocal Leukoencephalopathy (PML), post und parainfketiöse Leukoencephalopathien, Herpes Zoster und Herpes simplex, Metachromatische Leukodystrophien, Adrenoleukodystrophien und strahleninduzierte Hirnsubstanzschäden in Betracht. Rein bildmorphologisch ist auch die Unterscheidung zu MS-Herden kaum möglich. Problematisch ist die Bewertung der Leukoariaiose besonders dann, wenn sie ein Zufallsbefund einer Kernspintomographie in der Ausschlussdiagnostik ist. Alter ist der Hauptrisikofaktor für eine Leukoaraiose. (Stroke. 1995;26:1293-1301) Die Frage, wann im Alter eine Kernspintomographie zur Ausschlussdiagnostik sinnvoll ist, ist immer schwierig zu beantworten. Wenn das Bild und der Befund vorliegt, muss beides bewertet werden. Bei schweren klinischen Befunden mit schweren bildmorphologischen Veränderungen ist die Sachlage einfach, bei weniger gravierenden Befunden sollte auf eine Überinterpretation verzichtet werden, gleichzeitig sollten Risikofaktoren insbesondere ein Hypertonus ernst genommen werden.
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