Neben der Beurteilung der klinischen Symptomatik und der MRT ist auch die Liquoruntersuchung (Untersuchung des Nervenwassers) ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik von Multipler Sklerose. Hierzu wird eine Liquorpunktion durchgeführt: Unter örtlicher Betäubung wird mit einer Kanüle im Lendenwirbelsäulenbereich der Subarachnoidalraum, in dem der Liquor zirkuliert, punktiert und in mehrere Reagenzgläser jeweils etwas Liquor für die Laboruntersuchung entnommen.
Liquorbefund bei Multipler Sklerose
Folgende Liquorveränderungen treten typischerweise bei MS auf:
– Leicht erhöhte Zellzahl (etwa 30 – 50% der MS-Patienten):
Im Liqour befinden sich mehr Zellen als beim Gesunden. Meist handelt es sich hauptsächlich um Lymphozyten (lymphozytäre Pleozytose). Die Zellzahl liegt typischerweise bei ca. 5-50 Zellen / µl. Ist die Zellzahl deutlich höher, so muss eher an eine bakterielle Infektion gedacht werden.
– Intrathekale Antikörpersynthese (etwa 90 – 97% der MS-Patienten):
Im Liquor werden vermehrt Antikörper (Immunglobuline) produziert. Antikörper sind Abwehrproteine, die von speziellen Zellen des Immunsystems produziert werden. Sie können die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden, also nicht vom Blut aus in den Liquor gelangen. Man untersucht nun, was für „Familien“ von Antikörpern jeweils im Blut und im Liquor nachweisbar sind. Sind im Liquor Antikörperfamilien vorhanden, die im Blut nicht vorhanden sind, so geht man von einer Antikörperproduktion im Liquor, also einer intrathekalen Antikörpersynthese aus. Man spricht dann von positiven oligoklonalen Banden. Zusätzlich wird in der Regel auch noch der Albumin-Quotient zwischen Blut und Liquor bestimmt, um eine Störung der Blut-Hirn-Schranke und damit eingeschränkte Verwertbarkeit des Tests auszuschließen.
Bei einem Teil der an Multipler Sklerose erkrankten Patienten lassen sich einige diese intrathekal (= innerhalb des Liquorraums) produzierten Antikörperfamilien spezifisch zuordnen als Antikörper gegen Masern, Röteln und Varizella-Zoster-Viren. Man spricht dann von einer positiven MRZ-Reaktion.
Es handelt sich hierbei jedoch um eine unspezifische Mitreaktion der entsprechenden Antikörper-produzierenden Zellen. Weder für Infektionen mit diesen Erregern, noch für Impfungen gegen Masern, Röteln oder VZV konnte bisher ein Zusammenhang mit der Entstehung einer Multiplen Sklerose nachgewiesen werden. Der diagnostische Wert einer positiven MRZ-Reaktion wird heute als eher gering angesehen.
Multiple Sklerose mit negativem Liquorbefund
Weder ist das Vorhandensein eines typischen Liquorbefundes für sich allein genommen ein Beweis für das Vorliegen einer Multiplen Sklerose, noch schließt das Fehlen typischer Liquorveränderungen eine MS aus. Die Prozentangaben zur Häufigkeit der jeweiligen Liquorveränderungen beruhen in der Regel auf Studien mit Patienten, die bereits über mehrere Jahre an einer gesicherten MS leiden. Bei Auftreten von Erstsymptomen sind sie vermutlich bei einem deutlich geringeren Anteil der Patienten vorhanden.
Die Liquordiagnostik kann daher bei der Diagnosestellung der MS nur als ein Baustein betrachtet werden. Klinischem Befund und im MRT nachgewiesenen Veränderungen kommt in der Regel eine größere Bedeutung zu.