Me-too-Präparate

wörtlich, auch wenn es vietnamesisch klingt, ist das englische „ich auch“ gemeint. Gemeint sind Scheininnovationen durch die Pharmaindustrie durch Arzneimittel-Wirkstoffe, die nur geringfügige Molekülvariationen bereits vorhandener Substanzen aufweisen und zumeist ohne eigene therapeutische Innovation sind,- also nicht besser als der bereits auf dem Markt befindliche Wirkstoff sind. Eine andre Bezeichnung ist patentgeschützte Analogpräparate mit neuen Wirkstoffen mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten. Gemeint sind also „Pseudo-Innovationen“. Verwendet wird der Begriff meist dann, wenn ausgesagt werden soll, dass der bekannte Arzneimittel-Wirkstoff von einer Pharmafirma nur deshalb leicht verändert wurde um nach Auslaufen des Patentschutzes wieder ein hochpreisiges Präparat ohne besseren therapeutischen Nutzen exklusiv anbieten zu können. Kritiker sehen darin eine der Hauptursachen für die finanzielle Schieflage der gesetzlichen Krankenkassen bei den Arzneimittelkosten. Das Einsparvolumen bei den Me-Too-Präparaten sieht der Arzneiverordnungs-Report 2005 (Hrsg.Ulrich Schwabe u. Dieter Pfaffrath) für das Jahr 2004 bei 1,2 Milliarden Euro, die Pharmaindustrie rechnet eher einen preissenkende Auswirkung durch Konkurrenz vor. Ein Verzicht auf Analog-Präparate würde nicht nur bedeuten, dass über Medikamenten weniger wissenschaftliche Daten vorliegen, sondern auch dass der Erstanbieter seine Monopolpreise bis zum Ablauf des Patentschutzes durchsetzen kann. Das Schlagwort Me-too-Präparate dient in erster Linie dazu Druck auf Kassenärzte auszuüben, neue Präparate nicht zu verordnen, die Verantwortung wird damit auf den individuellen Arzt verlagert, logisch würde man bei erwiesener Scheininnovation erwarten, dass das Medikament nicht für die kassenärztliche Versorgung zugelassen wird. Im Einzelfall ist es oft schwierig eine tatsächliche Innovation von einer Scheininnovation zu unterscheiden, die Bewertung ist daher oft strittig. Einerseits sind neue Wirkstoffe oft durch bessere Studien untersucht, andererseits fehlt oft die notwendige Erfahrung mit einem Wirkstoff in der Praxis bei Zulassung. Vergleichstudien bei der Zulassung von „Me-too-Präparaten“ helfen auch für die Bewertung bereits zugelassener Medikamente. Unzweifelhaft gibt es Medikamente, die im Vergleich zu anderen keinen oder nur einen geringen Fortschritt darstellen Aber auch kleine Molekülveränderungen können durchaus das Wirkprofil und das Nebenwirkungsprofil eines Arzneistoffes erheblich ändern. Eine zusätzliche Doppelbindung macht aus Kortisol Prednisolon, und nimmt ihm die oft nicht gewünschte Mineralokortikoidwirkung. Me-Too-Präparate können sich also durchaus erheblich in Wirkung, Nebenwirkungen, Sicherheit oder Dosierung ( auch in der Pharmakodynamik und -kinetik) unterscheiden. 3 Beispiele sollen die Problematik beleuchten. Eine Liste der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein listet beispielsweise auch das Atypische Antipsychotikum Zyprexa (‚Wirkstoff Olanzapin) unter den Me-too-Präparaten. Diese Zuordnung ist zweifelhaft, belegen doch zahlreiche Studien eine deutlich bessere Compilance und auch Wirksamkeit im Vergleich zu typischen Antipsychotika gerade für dieses Medikament. Ein wesentlicher Grund für die Aufnahme in die Liste dürfte hier besonders der hohe Preis für Zyprexa sein. Olanzapin ist strukturverwandt mit Clozapin, letzteres ist ebenso oder noch besser wirksam als Olanzapin, allerdings mit gravierenderen Nebenwirkungen belastet und deshalb nur für die Patienten zugelassen bei denen andere Antipsychotika versagt haben. Bei Clozapin sind anfangs wöchentliche und später 4-wöchentliche Blutbildkontrollen erforderlich, um die schwerwiegenden Agranulozytosen rechtzeitig zu erkennnen, diese Notwendigkeit besteht bei Olanzapin nicht, was den Einsatz von Olanzapin auch bei Patienten erlaubt die weniger zuverlässig sind. Häufig vergessen wird in der Diskussion, dass Ausgangssubstanzen nicht selten wegen ihrer Toxizität vom Markt genommen wurden, während das Me-Too-Präparat wegen der besseren Verträglichkeit einen festen Platz in der Behandlung eingenommen hat. Auch Clozapin war wegen seiner Nebenwirkungen lange Jahre nicht auf dem deutschen Markt erhältlich. Andere Beispiele sind: In der Parkinsontherapie wurde der COMT-Hemmer Tolcapon wegen schwerer Nebenwirkungen vom Markt genommen, die Analogsubstanz ist fester Therapiebestandteil mit unstrittigen Vorteilen ohne die schwerwiegende Nebenwirkung geblieben, ähnliche Beispiele gibt es bei den Acetycholinesterasehemmern (Tacrin) und selbst bei den ersten Betablockern (Pronethalol). Pronethalol und dessen Analogpräparat Practolol wurden wegen schwerer Nebenwirkungen vom Markt genommen. Betablocker sind dennoch bei einer Vielzahl von Indikationen Mittel der Wahl geworden, hätte es keine weiteren Analogpräparate bei den Betablockern gegeben, wären eine vielfache Millionenzahl von Patienten erheblich schlechter behandelt worden. Wären Me-too-Präparate generell aussichtslos auf dem Markt, wäre dieser therapeutische Fortschritt nie den Patienten zugute gekommen. Auch die weitere Entwicklung hat mit Differenzierung der Betablocker relevante Unterschiede hervorgebracht. Beta-1-selektiven Blocker beeinträchtigen zwar den Glukose-Stoffwechsel nicht, wirken aber nicht gegen den essentiellen Tremor…. Ebenso aufgeführt in dieser Me-Too- Liste ist das Atypische Antipsychotikum Abilify (Wirkstoff Aripiprazol). Letzteres hat einen neuen Wirkmechanismus, der es unzweifelhaft von den auf dem Markt befindlichen anderen Antipsychotika unterscheidet. Der therapeutische Zusatznutzen ist allerdings in Studien bisher schlechter belegt, unstrittig ist, dass es den Prolactinspeigel nicht erhöht und wenig Einfluss auf das QTc Intervall hat, was im Einzelfall sehr relevante Nebenwirkungen sein können. Ob es im Vergleich zu anderen Antipsychotika wie vom Hersteller versprochen, auch die Negativsymptome deutlicher bessert, muss noch bewiesen werden. Der Begriff Me-too-Präparat wird in der Regel zweckdienlich mit eindeutiger Interessenlage verwendet, die Realität in der Versorgung der Patienten wird dadurch nur sehr bedingt abgebildet. Weiter gelistet wird dort Escitalopram, das S-Enantiomer des razemischen Citalopram, es handelt sich also tatsächlich um eine Molekülvariation. dar. Allerdings kommen 3 systematische Metaanalysen (Gorman et al. 2002, Auquier et al. 2003, Lepola et al. 2004) zum Schluss, dass Escitalopram dem Citalopram – bei äquivalenten Dosierungen – signifikant überlegen ist. Erklärt wird dies dadurch, dass R-Enantiomer Citalopram die Wirkung des S-Enantiomers Escitalopram behindert, dies bedeutet für Escitalopram auch dass eine höhere Wirkstärke und eine geringere Wirkstoffbelastung des Organismus gegeben ist. Wenig berücksichtigt wird in der Diskussion um Me-too-Präparate, dass gerade bei guter psychiatrischer Versorgung auch der über Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärte und nicht selten medikamentenerfahrene Patient bei der Auswahl mitentscheiden sollte. In jedem Einzelfall muss deshalb bei der Behandlung von Patienten konkret geprüft werden, ob ein Austausch gegen billigere Medikamente möglich ist, ohne den Patienten zu gefährden oder ihm therapeutische Fortschritte vorzuenthalten

 

Quellen / Literatur:

Ernst Mutschler, Hauptautor des Standardwerks „Arzeimittelwirkungen in der Ärztezeitung vom 23.10.2001 http://www.aerzte-zeitung.de/docs/2001/10/23/190a0801.asp Liste Patentgeschützter Analogpräparate Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, H. G. EL-SAYEH, C. MORGANTI and C. E. ADAMS, Aripiprazole for schizophrenia, Systematic review, BRITISH JOURNAL OF P SYCHIATRY (2006), 189, 102-108. doi: 10.1192/bjp.189. 2.102 [Abstract] [Full Text] [PDF, Gorman JM, Korotzer A, Su G: Efficacy Comparison of Escitalopram and Citalopram in the Treatment of Major Depressive Disorder: Pooled Analysis of Placebo-Controlled Trials. CNS Spectrums, 2002; 7 (suppl.1): 40-44, Auquier P, Robitail S, Llorca PM, Rive B. Comparison of escitalopram and citalopram efficacy: A meta-analysis. International Journal of Psychiatry in Clinical Practice 2003; 7: 259- 268, Lepola U, Wade A, Andersen HF: Do equivalent doses of escitalopram and citalopram have similar efficacy? A pooled analysis of two positive placebo-controlled studies in major depressive disorder. Int Clin Psychopharmacol. 2004; 19(3):149-55 Jürgen Fritze, et al., Zielvereinbarung 2005 zwischen GKV und KV-Hamburg – Ausgabensenkung um 1 % u.a. bei Antidepressiva blockiert Teilhabe der Kranken am Fortschritt; psychoneuro 2005; 31: 449-450

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur