Osteoporose

Die Osteoporose ist eine Krankheit des Gesamtskeletts, die sich durch eine niedrige Knochenmasse und eine Beeinträchtigung der Mikroarchitektur des Knochengewebes auszeichnet und zu einer erhöhten Knochenbrüchigkeit führt. (WHO 1994) Eine Osteoporose liegt dann vor, wenn die Knochendichte mehr als 2,5 Standardabweichungen tiefer liegt als der Mittelwert gesunder junger Frauen. Die Anzahl Standardabweichungen wird ausgedrückt im T-Score: ein T-Score von –2,8 bedeutet beispielsweise, dass die Knochendichte der gemessenen Patientin 2,8 Standardabweichungen tiefer liegt als der Mittelwert gesunder junger Frauen. Schweregrad: T-Score größer als –1: normale Knochendichte, T-Score zwischen –1 und –2,5: Osteopenie, T-Score kleiner als –2,5: Osteoporose, Osteoporose ohne Fraktur schwere Osteoporose (mit Fraktur). Schweiz Med Forum Nr. 15 10. April 2002 348 Bei Osteoporose (Knochenschwund) ist die Knochenmasse und damit die Bruchfestigkeit der Knochen vermindert. Von dieser Krankheit sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Es kommt zu Veränderungen der Mikroarchitektur des Knochengewebes mit daraus resultierender Knochenbrüchigkeit und erhöhter Frakturgefahr. Die Osteoporose wird meistens als Erkrankung postmenopausaler Frauen angesehen; junge Menschen können, allerdings wesentlich seltener, auch an einer Osteoporose erkranken. Über die Ursachen dieser prämenopausalen Osteoporose ist bis jetzt noch nicht viel bekannt, neben der idiopathischen Osteoporose kann bei jungen Frauen unter anderem eine Osteoporose durch Glukokortikoide oder Essstörungen ausgelöst werden oder im Rahmen einer Schwangerschaft auftreten. Eine schwere und besonders bei alten Menschen häufige Folge des Knochenschwundes sind Oberschenkelhalsbrüche. Sie führen nicht selten zu Pflegebedürftigkeit. Auch die Sterblichkeit der Betroffenen ist erhöht. Die maximale Knochenmasse wird etwa um das 30. Lebensjahr erreicht. Vor allem bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte ist die Bilanz des Umbauprozesses mehr oder weniger stark negativ. Je schneller dabei der Knochenumsatz ist, desto rascher wird die Knochenmasse verringert. Von der Erkrankung betroffen sind vor allem Frauen nach der Menopause infolge des Wegfalls der knochenschützenden Östrogene. Die Diagnose einer Osteoporose wird vor allem durch ärztliche Untersuchung und Befragung, durch radiologische und klinische Feststellung von Knochenbrüchen und durch die Messung der Knochendichte gestellt. Hierbei ist die Bedeutung der Knochendichtemessung umstritten, da ein verminderter Knochendichtewert zwar einen Risikofaktor darstellt, aber noch keine Aussage über das Vorhandensein einer Osteoporose erlaubt. Nach wie vor ist die Bedeutung der einzelnen Untersuchungstechniken teilweise unklar, wie die Bewertung der Ergebnisse, insgesamt scheint sich aber ein Screening ab 60 für Frauen zu lohnen. Eine 12 bis 14 Wochen währende Bettlägerigkeit bzw. Ruhigstellung der Muskulatur führt bereits zu einer Abnahme der Knochenmasse um 30%. Patienten mit Osteoporose weisen im Durchschnitt zwar eine deutlich niedrigere Knochendichte auf, viele Menschen mit einer solchen Dichteverminderung erleiden jedoch lebenslang keinen Knochenbruch. Auch werden für die Knochendichtemessung verschiedene Methoden diskutiert, die noch nicht zu einer allgemeinen Übereinkunft geführt haben. Dennoch gibt es international festgelegte Grenzwerte für die „normale“ Knochendichte, die sich auf die Dichteverteilung bei Gesunden stützen. Von einer schweren bzw. klinisch manifesten Osteoporose wird gesprochen, wenn die Knochendichte deutlich vermindert ist und bereits Frakturen eingetreten sind. Über Beschwerden klagen von Osteoporose Betroffene erst mit dem Auftreten von Knochenbrüchen. Die Brüche betreffen vorwiegend den Bereich der Wirbelsäule sowie Arme und Beine. Im Vordergrund stehen dabei akute oder chronische Schmerzzustände mit Bewegungseinschränkungen unterschiedlichen Ausmaßes. Das Entstehen von Osteoporose und damit das Risiko von Frakturen wird einerseits von körpereigenen Vorgängen beeinflusst, die z.T. anlage- oder alterungsbedingt sind; andererseits spielt eine Reihe von Risikofaktoren eine wichtige Rolle: Neben einer an sich niedrigen Knochendichte sind dies vor allem das Alter, die Hormonsituation (insbesondere eine frühzeitige Menopause), durch Osteoporose bedingte Frakturen bei den Eltern, Bewegungsarmut, Ernährungsverhalten (z.B. niedrige Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr), Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, einige Medikamente wie z.B. Kortison, Fehlbildungen, hagerer Körperwuchs und eine frühere Fraktur aufgrund einer Osteoporose. Vor allem die hüftgelenksnahen Frakturen, die überwiegend durch Stürze verursacht werden, werden von zusätzlichen Faktoren beeinflusst wie z.B. der Rüstigkeit der Betroffenen, die sich auf das Sturzrisiko und den Sturzverlauf auswirken. Viele Betroffene sind nicht in ärztlicher Betreuung, da die Verringerung der Knochenmasse allein nicht zu Beschwerden führt. Eine gesunde Lebensführung, insbesondere in Bezug auf Bewegung und Ernährung trägt zur Prävention bei. Untersuchungen zeigen, dass die Knochendichte durch stärkere sportliche Betätigung und eine ausreichende Zufuhr von Calcium und Vitamin D positiv zu beeinflussen ist. Eine sog. Hormonersatztherapie bei Frauen nach der Menopause kann den Knochenabbauprozess günstig beeinflussen. Über eine generelle Behandlung von Frauen nach den Wechseljahren mit Hormonen wird derzeit jedoch noch diskutiert. Die Reduktion des Frakturrisikos ist daher oberstes Ziel einer Osteoporosetherapie. Die Palette der in Österreich zur Therapie der Osteoporose zugelassenen Pharmaka umfasst gegenwärtig mehrere Bisphosphonate (Alendronat, Etidronat, Risedronat), einen selektiven Östrogenrezeptormodulator (Raloxifen), unterschiedliche Kalzitonine (Lachskalzitonin, Elcatonin), Fluoride (Natriumfluorid, Dinatriummonofluorphosphat), ein anaboles Steroid (Nandrolondecanoat) sowie konjugierte Östrogene und Östrogenderivate entweder mit oder ohne Gestagen. Eine evidence-based-medicine-konforme Beurteilung lässt erkennen, dass einige der angeführten Substanzen (Alendronat, Risedronat, Raloxifen) eine eindeutige Potenz zur Reduktion des vertebralen Frakturrisikos aufweisen. Schwächere Evidenz zur Reduktion des vertebralen Frakturrisikos besteht für Etidronat, Kalzitonin sowie für die Östrogen- bzw. Hormonersatztherapie. Nur zwei der angeführten Substanzen (Alendronat, Risedronat) weisen auch Potenz zur Reduktion des Schenkelhalsfrakturrisikos auf. Bei längerdauernder Vitamin D Behandlung z.B. bei Niereninsuffizienz müssen die Laborwerte kontrolliert werden um Schaden durch eine Hyperkalzämie zu verhindern. Eine Untersuchung an immerhin 12 055 schwangeren Frauen zeigte, dass Vitamin D Gabe die Häufigkeit von Diabetes Typ I vermindert. Ob Vitamin D und Kalzium das Risiko von Knochenbrüchen im Alter reduzieren ist strittig. Strittig ist auch ob dieser Effekt bei alleiniger Gabe von Vitamin D3 eintritt. Manche Fachgesellschaften empfehlen eine 4-monatliche Gabe von 100 000 IU oralem Vitamin D3 (Cholecalciferol) ausreichend. Entgegen den Ergebnissen anderer Untersuchungen ergab eine neue Untersuchung an 5292 über 70jährigen (85% Frauen) ergab im Vergleich zu einer Behandlung mit Placebo keine Wirkung der Behandlung mit 800 IU Vitamin D3 + 1000 mg Kalzium. im Verlauf von 62 Monate. Nur wenige Untersuchungen liegen vor, in welchen die Effekte einer kombinierten Anwendung antiresorptiver Substanzen untersucht wurden. Eine Senkung des Frakturrisikos konnte unter diesen Voraussetzungen bislang nicht gezeigt werden. Wiener Medizinische Wochenschrift 152, 23-24 596 – December 2002 Vor allem bei älteren Menschen kommt dem frühzeitigen Erkennen und Vorbeugen einer Fallneigung eine große Bedeutung zu. Osteoporose (Teil 1) [Gesundheitsbericht für Deutschland 1998, Die Hormonbehandlung in den Wechseljahren ist zumindest für Kombinationspräparate ebenfalls in die Negativschlagzeilen geraten. In einer Studie mit 2393 Frauen und Männern im Alter von 50-85 Jahren betrug die Inzidenz osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen bei Frauen bei 1,05%, bei Männern bei 1,17% pro Jahr. Bei Probanden, die mindestens eine prävalente Fraktur aufwiesen, ergab sich eine jährliche Inzidenz von 4,62% bei Frauen und 3,49% bei Männern. Schwerpunkte bezüglich der Lokalisation der Frakturen lagen, wie aus anderen Studien bekannt, im Bereich der mittleren BWS sowie dem thorakolumbalen Übergang. Keilförmige Frakturen traten bei beiden Geschlechtern gehäuft in der BWS auf, während Frakturen der Lendenwirbelkörper in erster Linie eine konkave oder bikonkave Form aufwiesen. Bei der Kombination von Östrogen plus Progesteron traten in der Behandlungsgruppe einer Studie mit 16 608 Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren im Vergleich zur Placebogruppe dort:

· 41 % mehr Schlaganfälle
· 29 % mehr Herzinfarkte
· 100% mehr Thrombosen in den Venen
· insgesamt 22 % mehr kardiovaskuläre Erkrankungen
· 26 % mehr Brustkrebs
· 37 % weniger Darmkrebs
· ein Drittel weniger Hüftfrakturen
· ein Viertel weniger Knochenbrüche
· Kein Unterschied in der allgemeinen Sterblichkeit auf Siehe auch www.whi.org.

Unklar bleibt weiter das zusätzliche Risiko eines Ovarialkarzinoms bei Hormonbehandlung.

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur