Als Parkinson-plus Syndrome, häufig auch einfach nur „Parkinson plus“, bezeichnet man eine Erkrankungen, die dem Morbus Parkinson ähnlich sind, jedoch neben der klassischen Parkinson-Symptomatik noch weitere charakteristische Symptome aufweisen. Synonym wird der Begriff „atypische Parkinson-Syndrome“ verwendet.
Zu den klassischen Parkinson-Symptomen zählt man:
- Rigor (Steifheit der Muskulatur)
- Bradykinese (Verlangsamung der Bewegungen)
- Ruhetremor (Zittern in Ruhe)
- Posturale Instabilität (mangelnde Stabilität der aufrechten Haltung)
Wobei der Tremor bei Parkinson-plus oft weniger stark ausgeprägt ist.
Zum Parkinson plus Komplex zählt man die Multisystematrophie, die progressive supranukleäre Blickparese, die Lewy-Körperchen-Demenz sowie die kortikobasale Degeneration.
Einige Autoren zählen auch die frontotemporale Demenz (Morbus Pick) zu den Parkinson-plus-Syndromen.
Da auch die zusätzlichen Symptome der Parkinson-plus-Varianten teilweise beim idiopathischen Morbus Parkinson auftreten können, ist die Unterscheidung in der Regel schwierig und bedarf viel klinischer Erfahrung des diagnostizierenden Arztes. Teils ist eine eindeutige Diagnose erst nach dem Tod des Patienten durch eine histopathologische Untersuchung von Hirngewebe möglich.
Meist schreiten die Parkinson-plus Syndrome schneller voran als der idiopathische Morbus Parkinson und klassische Anti-Parkinson-Medikamente zeigen weniger Wirkung. Die zusätzlichen Beschwerden können aber oft symptomatisch behandelt werden.
Hinweise auf das Vorliegen eines atypischen Parkinson-Syndroms geben unter anderem:
- Frühe starke Fallneigung (frühe Störung der Stellreflexe)
- Fehlender oder nur schwach ausgeprägter Tremor
- Ausgeprägte vegetative Symptome
- Ausgeprägte vertikal betonte Blicklähmung
- „Alien limb“ Phänomen (Wahrnehmung von eigenen Extremitäten als körperfremd)
- Frühe stark ausgeprägte dementielle Symptome
Multisystematrophie (MSA)
Typisch für die Multisystematrophie sind zusätzlich auftretende vegetative Symptome. Dazu zählen unter anderem orthostatische Hypotension mit Synkopen („Kreislaufkollaps“) nach dem Aufstehen, erektile Dysfunktion, Verstopfung, Probleme beim Wasserlassen, Stimmbandlähmung, trockener Mund, vermindertes Schwitzen, Schlafstörungen und weitere.
Auch das Kleinhirn ist bei der MSA häufig betroffen und verursacht entsprechende Symptome wie Koordinations- und Balancestörungen (Ataxie), Sprachstörungen (Dysarthrie) und Störungen der Augenbewegungen (Okulomotorik). (siehe unter Kleinhirnschädigung.)
Man kann eine MSA vom Parkinson-Typ (MSA-P), eine MSA vom Kleinhirn-Typ (MSA-C) und eine MSA vom autonomen Typ (Shy-Drager-Syndrom) unterscheiden, mit jeweils überwiegen der Symptome im im entsprechenden Bereich.
Histopathologisch lassen sich in den geschädigten Hirnarealen ein Verlust an Nervenzellen und eine Vermehrung der Astrozyten nachweisen, man spricht von „Glianarben“. In diesen finden sich Ansammlungen von α-Synuclein.
Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)
Synonym wird die Bezeichnung „Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom“ gebraucht.
Es kommt neben der gewöhnlichen Parkinsonysmptomatik wie der Name bereits aussagt zur fortschreitenden Blicklähmung, besonders bei vertikalen Blickbewegungen, verbunden mit Diplopie („doppelt sehen“) und weiteren Sehstörungen. Aufgrund der vertikalen Blicklähmung, die insbesondere Augenbewegungen nach unten erschwert, klagen die Patienten oft Probleme beim Lesen. Auch Konvergenzbewegungen der Augen sind erschwert.
Meist zeigen sich schon früh im Krankheitsverlauf eine ausgeprägte Balanceschwierigkeiten mit Fallneigung. Anders als beim idiopathischen Parkinson-Syndrom ist die Gehgeschwindigkeit oft anfangs eher beschleunigt, betroffene stoßen oft an Gegenstände oder andere Personen an.
Typisch sind außerdem Sprech- und Schluckstörungen und subkortikale Demenz.
Kortikobasale Degeneration
Typisch bei der kortikobasalen Degeneration ist die frühe Entwicklung einer dementieller Symptome im Sinne einer subkortikalen Demenz mit häufig Apraxie und Aphasie.
Die Muskeleigenreflexe sind gesteigert, es kommt zu Myoklonien und in etwa 20 bis 30% der Fälle zum „Alien limb“ Phänomen, bei dem eigene Extremitäten als fremd wahrgenommen werden.
Lewy-Körperchen-Demenz
Die Lewy-Körperchen-Demenz ist die zweithäufigste Demenzursache. Histopathologisch finden sich Lewy-Körperchen in der Substatia nigra und im frontalen Kortex. Da neben der im Vordergrund stehenden dementiellen Symptomatik auch Parkinson-Symptome typisch sind, zählt auch sie zum Parkinson-plus-Komplex.
Die kognitiven Einschränkungen zeigen sich in der Regel in stark fluktuierender (schwankender) Ausprägung. Die Gedächtnisleistung ist dabei oft relativ gut erhalten, beeinträchtigt sind jedoch Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit sowie die Ausführung praktischer Tätigkeiten des Alltags.
Typisch sind auch visuelle Halluzinationen und REM-Schlag-Störungen.
Frontotemporale Demenz (M. Pick)
Bei der frontotemporalen Demenz (Morbus Pick) treten extrapyramidale Symptome (Parkinson-Symptome) nur in einigen Fällen auf, daher wird sie auch nicht immer zu den Parkinson-plus-Störungen gezählt.
Typisch sind ansonsten im Rahmen der dementiellen Symptomatik frühe Persönlichkeitsveränderungen mit Verlust sozialer Fertigkeiten und Umgangsformen, gefolgt von Störungen der Gedächtnis- und Sprachfunktionen und des Intellekts. Es werden zwei Varianten unterschieden, die behaviorale Variante mit im Anfangsstadium überwiegender Verhaltensänderung und die Aphasie-Variante (Primär progressive Aphasie) mit zunächst im Vordergrund stehender Sprachstörung.