Prägung

mit Prägung werden obligatorische Lernvorgänge bezeichnet, die sich nur in einer sensiblen Phase der Entwicklung abspielen und später nicht nachgeholt werden können, die Wirkung ist irreversibel und hält ein Leben lang an. Konrad Lorenz (1935) beobachtete das Verhalten junger Graugänse nach dem Schlüpfen: vom Muttertier isolierte Tiere zeigen die Tendenz, bewegten Dingen geeigneter Größe die Lautäußerungen von sich geben zu folgen. Lorenz prägte die Küken auf sich selbst. bei der Konfrontation mit dem Muttertier und der Person von Lorenz folgten die Küken Lorenz und nicht der wirklichen Mutter. Prägung bezieht sich auf umschriebene Verhaltensweisen, kommt nur in bestimmten sensiblen Phase zustande, dabei ist ein nachträgliches Umlernen unmöglich. Diese Art der Verhaltensänderung begründet sich auf entwicklungsgeschichtlich vorgeformten Schemen nicht auf Lernen. Sie ist jedem Mitglied einer Art gleichförmig angelegt, oft überlebenswichtig. Auch das menschliche Gehirn hat sich wie jedes andere Organ durch natürliche Selektion entwickelt. Daher sind sein Aufbau und seine Leistungen als Anpassungen an die Lebensumgebung unserer Vorfahren zu verstehen. Auch menschliches Verhalten basiert teiweise auf angeborenen Mechanismen, die in der Evolutionsgeschichte durch den unterschiedlichen Reproduktionserfolg ihrer Varianten die Form angenommen haben, die wir heute vorfinden Beim Menschen gibt es aber vermutlich keine eigentliche P. es ist eher von optimalen Perioden des Lernens und der Stimulation auszugehen, es bestehen aber gewisse Parallelen. In der Verhaltensentwicklung unterscheidet man heute eine kritische, empfindliche und optimale Periode der Entwicklung von stabilen Verhaltensmustern im Sinne der Prägung. Kritische Perioden sind sehr kurze Zeiträume in der menschlichen Entwicklung, die in etwa der kritischen Phase im Tierreich entsprechen. Empfindliche Perioden sind Zeiträume, während deren ein Organismus gegenüber bestimmten Reizen extrem empfindlich reagiert und daraufhin angeborene Reaktionen ausführt. Optimale Perioden schließlich sind längere Zeitspannen, in denen ein Kind am empfindlichsten auf gewisse Aspekte der Umwelt (etwa schichtspezifische Rollenverpflichtungen) reagiert und darüber hinaus besonders bereitwillig auf bestimmte Lernsituationen eingeht. Prägungsähnliche Lernprozesse sind beispielsweise der Spracherwerb. Z.B. das Lernen bestimmter Phoneme gelingt in einer kritischen Periode besser als zu anderen Zeitpunkten, obwohl auch dann, allerdings unter Mühen, Umlernprozesse möglich sind. Psychosoziale Einflüsse während Phasen früher postnataler Zeitfenster mit erhöhter neuronaler und synaptischer Plastizität können tiefgreifende dauerhafte Veränderungen der Hirns. Die erfahrungsgesteuerte funktionelle Reifung des limbischen Systems, das bei kognitiven und emotionalen Prozessen eine herausragende Rolle spielt, ist gegenüber frühen traumatisierenden Einflüssen vulnerabel. (Siehe unter Belastungsstörungen) Eine durch frühen sensorischen, emotionalen und sozialen Stimulusentzug oder traumatisierende psychosoziale Umweltkonstellationen induzierte Unter- bzw. Fehlfunktion des limbischen Systems stellt nach den vorliegenden Befunden der Deprivationsforschung eine wesentliche neurobiologische Grundlage bestimmter psychischer Störungen dar, die traditionell als Neurosen klassifiziert werden. In der Diskussion über die Pathogenese dieser Störungen, in der bislang psychoanalytische oder verhaltenstheoretische Betrachtungsweisen dominierten, wird die hirnbiologische Sicht, insbesondere Aspekte der frühen und späteren neuronalen Plastizität, an Bedeutung gewinnen. Objektprägung z.B. Eltern, motorischen Prägung bei der ein Bewegungsmuster erworben wird. P. ist ein Spezialfall der Konditionierung. Bei Tieren sind bestimmte Instinkthandlungen angeboren, meist gibt es hierfür einen angeborenen Auslösemechanismus. Für einige dieser Handlungen ist der Auslöser nicht angeboren, sondern muß während einer bestimmten Zeit (sensible Phase) erlernt werden. Man geht davon aus, dass es sich um sehr spezifische und sehr stabile S-R-Ketten (schon nach einmaliger Paarung möglich) in einem ganz bestimmten Lebensabschnitt (sensible Phase) handelt. Bei elternlos und von ihren Geschwistern isoliert aufgewachsenen Jungtieren stellte man fest, daß sie sich als erwachsene Tiere nicht zu ihren tatsächlichen Artgenossen hingezogen fühlten. Vielmehr betrachteten sie die Tiere oder Lebewesen, bei denen sie groß geworden waren (unaufhebbaren Eindruck, den erste Kontaktpersonen), als ihre Artgenossen. Diesen Vorgang nennt man Prägung. Man beobachtete ihn sowohl bei Vögeln als auch bei Säugetieren. Ist die sensible Phase verstrichen, kann die Prägung. nicht nachgeholt werden. Lorenz konnte frisch geschlüpfte Graugänse auf sich selbst prägen, indem er unmittelbar nach ihrem Ausschlüpfen in Erscheinung trat; während einer kurzen kritischen Phase nach dem Schlüpfen folgen die Graugänse dem ersten beweglichen Objekt, das sie wahrnehmen, folgen, als wäre es ihre Mutter.. Der Begriff „Prägung” angewandt bei Menschen soll eine große Stabilität des einmal Erlernten, welches nahezu irreversibel im Gedächtnis bleibt und dessen Inhalte später nur sehr schwer modifizierbar sind, bezeichnen. Sensible Phasen sind beim Menschen neben der Biologie wesentlich von Umwelteinflüssen abhängig. Es gibt Hinweise darauf, dass die Erfahrungs- und Lernprozesse selbst Einfluss auf den Verlauf solcher sensibler Phasen haben können. Prägung wird als spezielle, genetisch programmierte Art des Lernens aufgefaßt, die durch sensible Perioden in der Kindesentwicklung gekennzeichnet ist. Sensible Phasen für bestimmte Lernvorgänge finden sich während der frühkindlichen Entwicklung beim Menschen und sind eingehend untersucht worden. Schwer wiegende Störungen im Bereich des Sozialverhaltens lassen sich bei Rhesusaffen experimentell erzeugen, d. h. verminderte Eingliederungsfähigkeit in eine Gruppe, und verminderte Fähigkeit zum Eingehen persönlicher Bindungen. Sozial deprivierte, von Drahtattrappen aufgezogene Affen zeigten schwerste Entwicklungsschäden, die Symptome reichten von Bewegungsstereotypien (Hin- und Herschaukeln des Körpers etc.), überängstlichen oder überaggressiven Reaktionen, Apathie, bis zu zwanghaften Gewohnheiten wie Haarausreißen etc. Viele Tiere waren später paarungsunfähig, weil sie den Partner attackierten, die wenigen Weibchen, die Junge gebaren, erwiesen sich sehr häufig als schlechte Mütter, die ihre Kinder vernachlässigten und zum Teil misshandelten. Zwei weitere Auffälligkeiten dieser mutterlos aufgewachsenen Rhesusaffen sind im Hinblick auf einen möglichen Vergleich zum Menschen von besonderem Interesse, sie zeigten vermindertes Spiel-, Neugier- und Erkundungsverhalten und dadurch bedingt deutlich verringerte Lernleistungen. Alle diese katastrophalen Fehlentwicklungen bis hin zum Hospitalismus wurden zuvor bei Heimkindern beobachtet, die ohne eine Bezugsperson aufwuchsen. Die Bedeutung einer stabilen positiven emotionalen Beziehung in der frühkindlichen Entwicklung wurde in neueren psychoanalytischen Theorien verstärkt thematisiert und verschiedene Typen emotionaler und sozialer Fehlentwicklungen als Folge einer gestörten oder fehlenden Eltern-Kind-Interaktion auf der Basis empirischer Untersuchungen kategorisiert.

 

Quellen / Literatur:

Einfluss frühkindlicher Erfahrungs- und Lernprozesse auf die funktionelle Reifung des Gehirns,Relevanz für die Entstehung und Therapie psychischer Erkrankungen, Katharina;Braun;Bernhard;Bogerts, Psychother. Psychosom. Med. Psychol. 50:1-8 (Heft 11/2000 Glossar medizinische Psychologie Uni Freiburg K. Braun, B. Bogerts, Erfahrungsgesteuerte neuronale Plastizität Nervenarzt, 72,1; (2001) pp 3-10 , Mietzel, G. (1997). Wege in die Entwicklungspsychologie. Band 1. Kindheit und Jugend (S. 1-42). Weinheim: Beltz – Psychologie Verlags Union. Oerter, R. & Montada, L. (Hrsg.) (1995). Entwicklungspsychologie (Kap. I-1). Weinheim: Beltz – Psychologie Verlags Union.

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur