Problembewältigung

Ein drittes, und wohl das durch die größte Anzahl an Forschungsbefunden abgestützte Wirkprinzip der Psychotherapie ist „Aktive Hilfe zur Problembewältigung“. Damit ist gemeint, daß der Therapeut den Patienten mit geeigneten Maßnahmen aktiv darin unterstützt, mit einem bestimmten Problem besser fertig zu werden. Dieses Wirkprinzip kommt in sehr vielen und ganz verschiedenen therapeutischen Vorgehensweisen zum Zuge: Im Selbstsicherheitstraining mit gehemmten Patienten, bei der Reizkonfrontation mit Agoraphobikern, beim Streßbewältigungstraining nach Meichenbaum, bei der Sexualtherapie nach Masters und Johnson, bei der Anwendung von Entspannungsverfahren oder Hypnose auf Schmerzzustände, bei der interpersonalen Depressionstherapie nach Klerman und Weissmann, beim Kommunikations- und Problemlösetraining mit Paaren, bei den meisten familientherapeutischen Interventionen, um nur einige der bekannteren Verfahren zu nennen, denen dieses Wirkprinzip gemein ist. Viele dieser Verfahren wurden ursprünglich innerhalb der Verhaltenstherapie entwickelt. Aber etliche Verfahren, bei denen dieses Wirkprinzip ganz zentral ist, haben einen theoretischen Hintergrund, der absolut nichts mit der Verhaltenstherapie zu tun hat, wie etwa der interpersonale Ansatz von Klerman und Weissman, Familientherapie nach Haley oder Minuchin oder Hypnotherapie nach Erickson. Gemeinsam ist diesen Verfahren, daß sie das, was der Patient als sein Problem erlebt, als solches ernst nehmen und mit bereichsspezifischen Maßnahmen, die sich für die Bewältigung dieser Probleme bewährt haben, dem Patienten helfen, eben diese Schwierigkeiten zu Überwinden oder besser damit fertig zu werden. Die Maßnahmen, mit denen dieses Wirkprinzip realisiert werden kann, können sich je nach Problembereich sehr unterscheiden. Sie machen sich bereichsspezifische Eigenarten des psychischen und physiologischen Funktionierens zunutze, die die Grundlage dafür sind, daß es schließlich zu der Problembewältigung kommt.Für die therapeutische Wirkung ist entscheidend, daß der Patient die reale Erfahrung macht, besser im Sinne seiner Ziele mit der betreffenden Situation zurechtzukommen. Wie dies am besten erreicht werden kann, hängt von der spezifischen Problematik und den situativen Umständen ab. Hier muß der Therapeut ein reichhaltiges problem- und situationsspezifisches Erfahrungswissen einbringen können, um Patienten mit unterschiedlichen Problemen und Voraussetzungen zu der Erfahrung verhelfen zu können, daß sie besser als vorher mit bestimmten Schwierigkeiten fertig werden können.Wenn ein Therapeut die Problematik seines Patienten unter der Perspektive dieses Wirkprinzips betrachtet, dann sieht er sie unter der Perspektive des Könnens versus Nichtkönnens. Er betrachtet den Zustand oder das Problem des Patienten als ein echtes Nicht-anders-können, ohne diesem Nichtkönnen irgendwelche anderen Bedeutungen zu unterstellen. Die insgesamt ausgezeichnete Wirksamkeit, die für ganz verschiedene therapeutische Vorgehensweisen festgestellt wurden, die als unterschiedliche Realisierungen dieses Wirkprinzips betrachtet werden können, spricht dafür, daß es viel haufiger, als es in der Psychotherapieliteratur geschieht, angemessen ist, psychische Störungen und Probleme einfach als ein Nicht-anders-können zu betrachten und die therapeutische Hilfe darauf auszurichten, dem Patienten aktiv dabei zu helfen, die Zustände, Schwierigkeiten, Probleme, die den unmittelbaren Gegenstand seines Leidens ausmachen, besser zu bewältigen. Im folgenden werde ich diese Perspektive auf die Probleme eines Patienten kurz als „Bewältigungsperspektive“ bezeichnen.

 

Quellen / Literatur:

K.Grawe Was sind die wirklich wirksamen Ingredienzien der Psychotherapie?

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur