Ptyalismus

Abnormer Speichelfluss, man spricht auch von Sialorrhoe wenn der Speichel über den Rand der Lippe läuft. Bei Säuglingen bis zum Alter von 18 Monaten gilt dies als normal. Spätestens ab dem Alter von 4 Jahren gilt eine Sialorrhoe als krankhaft. Sialorrhoe kommt bei einer Vielzahl von geistigen Behinderungen bei Kindern vor. Im Erwachsenenalter ist eine Sialorrhoe oft Folge neurologischer Erkrankungen mit mangelhafter Kontrolle der Mund- und Gesichtsmuskulatur wie eines M. Parkinson, Schlaganfällen, Muskelerkrankungen, Bulbärparalysen und Pseudobulbärparalysen, sehr selten Vergiftungen …vor. Auch anatomische Veränderungen im Mund können ursächlich sein: zu große Zunge (Makroglossie), Maloklusion, verkürzter Unterkiefer,.. Auch cholinerge Medikamente oder Gifte können den Speichelfluss verstärken, Muscarin, Bethanechol, Pilocarpin, Nikotin, Neostigmin, Physostigmin, Parathion/Paraoxon, Pyridostigmin, Donepezil, Rivastimgin, Galantamin, Malathion, Pralidoxim, Pilzgifte …. Eine gestörte Schluckfähigkeit ist also meist ursächlich, eine vermehrte Speichelproduktion spielt nur selten eine Rolle. Auch ein gastroösophagealer Reflux kann nach manchen Autoren mitverantwortlich sein, was allerdings vielfach bezweifelt wird. Auch verschiedene Medikamenten können eine Sialorrhoe auslösen, am eindrucksvollsten tritt dies bei Clozapin auf, aber auch andere Psychopharmaka und Antiepileptika können auslösend sein. Periorale (um den Mund herum) Entzündungen, ein unangenehmer Geruch, im schlimmeren Fall eine ständig nasse Kleidung sind die sichtbaren Folgen. Nicht selten führt der Flüssigkeitsverlust zur Austrocknung. Soziale Folgen durch den Ekel von Angehörigen oder Kontaktpersonen wie auch die Scham der Betroffenen sind häufig. Die Behandlung ist schwierig. Wenn Medikamente ursächlich sind, gibt es manchmal die Möglichkeit umzustellen. Bei unzureichend eingestellter Grunderkrankung (z.B. M. Parkinson) lässt sich oft mit Verbesserung der medikamentösen Einstellung der Grunderkrankung auch die Sialorrhoe bessern. Die Medikamentöse Behandlung konzentriert sich sonst auf die Verminderung des Speichelflusse, Speichel hat allerdings eine bakteriostatische und bakteriozide Funktion und trägt damit zur Gesundheit der Zähne und zur Verminderung von Mundgeruch bei, daneben beinhaltet er Verdauungsenzyme und hält den pH- Wert des Mundes stabil. Wenn man die Speichelsekretion vermindert wird nicht nur die Verdauung etwas beeinträchtigt, auch das Kariesrisiko steigt an. Das parasympathische Nervensystem innerviert die Speicheldrüsen und regt sie zur Produktion von Speichel an, der Sympathikus ist verantwortlich für die Steuerung der Muskeln die bei der Entleerung der Speicheldrüsen wichtig sind. Anticholinergika reduzieren den Speichelfluss haben aber auch in therapeutischer Dosis viele Nebenwirkungen (Verminderung der Konzentration, Sehstörungen, vor allem bei älteren Patienten ist auch ein Delir und/oder Verschlimmerung einer bestehenden Demenz als Nebenwirkung möglich…). In Betracht kommen Behandlungsversuche mit Atropin, Biperiden, Ipratropiumbromid, Trihexyphenidyl (Artane®), Scopolamin (Buscopan®, Scopoderm® TTS-Pflaster), trizyklischen Antidepressiva, Pirenzepin, neuerdings Botulinumtoxin A Injektionen. In verzweifelten Fällen kommen auch operative Behandlungen mit Denervierung der Speicheldrüsen oder Verlegung der Ausführgänge in Betracht. Alternativ kommt auch eine Strahlentherapie in Betracht. Alle Behandlungen haben den Nachteil, da sie die (nicht ursächliche) Speichelproduktion vermindern, fehlt am Ende auch die Funktion des Speichels.

 

Quellen / Literatur:

Siehe auch NEIL G. HOCKSTEIN et al., Sialorrhea: A Management Challenge, Am Fam Physician 2004;69:2628-34. Copyright© 2004 American Academy of Family Physicians, A. Knoblauch, et al., Atemprobleme bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose: therapeutische Optionen; Schweiz Med Forum Nr. 39 26. September 2001 972

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur