‚Die Rehabilitation bezweckt, den Menschen, die körperlich, geistig oder seelisch behindert sind und die ihre Behinderung oder deren Folgen nicht selbst überwinden können, und den Menschen, denen eine solche Behinderung droht, zu helfen, ihre Fähigkeiten und Kräfte zu entfalten und einen entsprechenden Platz in der Gemeinschaft zu finden. Dazu gehört vor allem auch die Teilnahme am Arbeitsleben.‘ (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation1970). Die Rehabilitation umfasst 3 Leistungsbereiche: die medizinische R., die schulische und berufliche R. und die soziale R.. Leistungsträger entsprechender Maßnahmen können die Rentenversicherung, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die Sozialämter oder die Versorgungsämter sein, wobei die Rentenversicherung den Hauptanteil trägt. Nach dem Gesetz gilt das Prinzip “Rehabilitation vor Rente“, § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI: “Die Leistungen zur Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreicher Rehabilitation nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind“. Dies bedeutet nicht, dass vor jeder Frühberentung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine medizinische oder berufliche Rehabilitation durchzuführen ist. Das Prinzip wird in erster Linie verwirklicht durch die Etablierung eines Rehabilitationssystems, wie es mit Einrichtungen zur stationären, teilstationären und ambulanten medizinischen Rehabilitation und einem differenzierten Angebot zur beruflichen Rehabilitation geschaffen wurde. Der weit überwiegende Anteil aller Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation wird von Versicherten gestellt, die noch nicht an einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit interessiert sind. Mit der Rehabilitation wollen und sollen sie eine vorzeitige Berentung vermeiden. Andererseits muss auch bei jedem Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom medizinischen Sachverständigen die Frage geprüft und beantwortet werden, ob durch Leistungen zur Rehabilitation eine Frühberentung verhindert oder zumindest hinausgeschoben werden kann. Wird diese Frage bejaht, ist der Rentenversicherungsträger gehalten, dem Versicherten entsprechende Leistungen anzubieten. Zentraler Begriff sowohl im Rehabilitationsrecht als auch bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist die Erwerbsfähigkeit. Die Erwerbsfähigkeit ist ein Rechtsbegriff und Anknüpfungspunkt wesentlicher Leistungsansprüche im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine durch Krankheit oder Behinderung erheblich gefährdete oder geminderte Erwerbsfähigkeit kann Rehabilitationsleistungen auf dem Gebiet der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation auslösen, eine verminderte Erwerbsfähigkeit Ansprüche auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit eines Versicherten ist für den Rentenversicherungsträger von Bedeutung, wie sich aus sozialmedizinischer Sicht die Leistungsfähigkeit des Versicherten im Erwerbsleben darstellt. Dies ist die noch aktivierbare Restleistungsfähigkeit unter Berücksichtigung der vorhandenen Behinderungen und sozusagen das medizinische Element des noch andere Teilmerkmale enthaltenden Rechtsbegriffes der Erwerbsfähigkeit. Die Aufgabe des sozialmedizinischen Gutachters besteht darin, ein konkretes Fähigkeitsbild des Versicherten darzulegen. Im Bereich der Rehabilitation ist daneben zu prüfen, wieweit die Erwerbsfähigkeit durch medizinische oder berufliche Rehabilitationsleistungen unter den Voraussetzungen der §§ 9 ff. SGB VI erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Rehabilitationsbedürftigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist dann gegeben, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten aus medizinischen Gründen erheblich gefährdet oder gemindert ist. Ob im Einzelfall Rehabilitationsbedürftigkeit vorliegt, ergibt sich aus der zusammenfassenden Bewertung aller wesentlichen sozialmedizinischen Faktoren, wie z.B.: Funktionseinschränkungen, Risikokonstellation, Kombination von Gesundheitsstörungen/Multimorbidität, Arbeitsunfähigkeitszeiten, Bisherige Therapie, Erfordernis der Koordination mehrerer Therapieformen, Hoher Schulungsbedarf, Probleme bei der Krankheitsbewältigung., Der Versicherte muss auch rehabilitationsfähig sein. Der Begriff der Rehabilitationsfähigkeit bezieht sich auf die somatische und psychische Verfassung des Rehabilitanden für die Teilnahme an einer geeigneten Rehabilitation. Er muss in der Lage sein, das Angebot aktiver und passiver therapeutischer Leistungen wahrnehmen zu können. Grundsätzlich gilt, dass der Versicherte mit öffentlichen Verkehrsmitteln alleine reisefähig sein soll. Er muss sich innerhalb der Rehabilitationseinrichtung selbst versorgen können, er darf also nicht pflegebedürftig sein. Indikationsbezogen gilt es natürlich dabei, Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Das Gesetz fordert im § 10 SGB VI eine positive Reha-Erfolgsprognose. Die Stabilisierung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben, letztendlich die Vermeidung oder zumindest das Hinausschieben der Berentung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erreicht werden können: “Rehabilitation vor Rente“. Dies bedeutet, dass funktionelle Beeinträchtigungen, die einem rehabilitativen Behandlungsansatz gar nicht zugänglich oder so gravierend sind, dass das Rehabilitationsziel der Rentenversicherung nicht erreicht werden kann, eine Rehabilitation zulasten der Rentenversicherung ausschließen. Beispiel: Der traumatische Verlust eines Auges bringt eine gravierende funktionelle Einschränkung mit sich. Die Versorgung mit einer Prothese erfolgt aus kosmetischen Gründen. Medizinische rehabilitative Behandlungsansätze zur Kompensation oder Behebung des Funktionsverlustes gibt es nicht. Zu prüfen wären Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, wenn die Fähigkeit zum räumlichen Sehen unabdingbar für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit war. Soweit Rehabilitationsziele anderer Träger der medizinischen Rehabilitation noch erreichbar sind, vor allem die der Krankenversicherung, ergibt sich deren Zuständigkeit aus den für sie geltenden gesetzlichen Vorschriften. Beispiel: Der Schlaganfall, der bei einem 55jährigen Versicherten zu einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom und einer halbseitigen Parese führt, hat sich nur geringfügig therapeutisch beeinflussen lassen. Er bewirkt gravierende funktionelle Einschränkungen und hebt das Leistungsvermögen im Erwerbsleben dauerhaft auf. Das Rehabilitationsziel der gesetzlichen Rentenversicherung kann nicht mehr erreicht werden.
Quellen / Literatur:
(nach DRV, D 20230 E Verband deutscher Rentenversicherer Juni 2000)