Schuldzuweisungen

Lässt man ein komplexes Geschehen von zwei unabhängigen Personen schildern, so ergeben sich Unterschiede in der jeweiligen Akzentsetzung und Interpretation. Besonders extrem fallen solche Unterschiede aus, wenn die Berichterstatter in unterschiedlichen Rollen an den Geschehnissen beteiligt waren. Wünsche nach Kontrolle und Selbstwertschutz beeinflussen die Art und Weise, wie Menschen Ereignisse darstellen. So werden andere Teilaspekte einer Episode berichtet, wenn Personen davon erzählen, wie sie jemanden geärgert haben, als wenn sie davon erzählen, wie sie geärgert wurden (Baumeister, Stilwell & Wotman, 1990). Während beide Beteiligte das Verhalten des Gegenübers als eigentliches Problem darstellten, beschrieben sie ihr eigenes Verhalten im allgemeinen als situativ begründete und berechtigte Reaktion. Diese Differenzen können als selbstwertdienliche Verzerrungen interpretiert werden. Die Darstellung von Konfliktepisoden erfolgt anscheinend selbst in funktionierenden Partnerschaften in verzerrter und polarisierender Weise.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur