Schulphobien sind oft der Anfang einer langen Karriere anderer Phobien. Angstbedingte Verweigerung/Vermeidung des Schulbesuchs wurde früher als eigene Störung (Schulangst/Schulphobie) klassifiziert. Sie wird aktuell als Begleitproblematik anderen Angststörungen (bei Trennungsangst, bei sozialer Phobie, bei Agoraphobie etc.) zugeordnet. Meist haben die jüngeren Kinder Ängste, das Elternhaus zu verlassen. Die Ängste imponieren irrational. Phobische oder überfürsorgliche Eltern haben häufig phobische Kinder, besonders bei den jüngeren Kindern spielen Probleme im Elternhaus eine ursächliche Rolle. Auch massive psychische Probleme der Eltern können eine Schulphobie begünstigen. Bei den älteren Kindern und Jugendlichen sind allerdings die Probleme in der Schule selbst vorrangig. Sie vermeiden die unangenehmen Gefühle, die sie sonst in der Schule hätten. Mangelnde soziale Fertigkeiten spielen hier von Seiten der Schüler ebenso eine Rolle wie Versagensängste und Leistungsschwächen. Kränkende Disziplinierungen oder Mobbing durch Klassenkameraden sind allerdings ebenso ursächlich beteiligt. In einer Umfrage erklärten 52,9% etwas mehr als die Hälfte aller Schüler, dass sie im letzten Schulhalbjahr schon einmal die Schule geschwänzt haben (einzelne Stunden und/oder Tage). Bedeutsam ist dabei vor allem das mehrfach wiederholte bzw. langandauernde Schwänzen. Massiveres Schwänzen, d.h. im letzten Schulhalbjahr fünf Tage oder mehr, kommt bei 14,8% der Befragten vor. Hier zeigen sich erwartungsgemäß deutliche Unterschiede zwischen den Schulformen dahingehend, dass in Haupt-, Sonder- und Berufsschulen mehr massive Fälle als in anderen Schulformen zu finden sind. Bemerkenswert ist, dass sich die Raten sowohl nach Selbstberichten der Schüler als auch der Lehrer zwischen den Städten deutlich voneinander unterscheiden. Häufig ist der Beginn die häufige Entschuldigung wegen Bauchweh, Kopfweh etc. Die Symptome stellen sich dann häufig mit der Zeit von selbst ein. Häufiges Zuspätkommen steht ebenfalls oft am Anfang des Schwänzens. Neben der Weigerung in die Schule zu gehen, werden immer mehr Gründe gefunden nicht gehen zu müssen. Bei den älteren Kindern wissen die Eltern oft nichts von der Schulverweigerung, die Kinder können sehr erfinderisch darin sein, dies zu vertuschen, bis hin zum Abfangen von Briefen der Schule und von Telefonanrufen. In ersten Analysen zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Absentismus und delinquentem Verhalten wie Ladendiebstahl und Gewaltdelinquenz, d.h. je häufiger Jugendliche die Schule schwänzen, desto stärker sind sie auch in Straftaten involviert. Dieser Zusammenhang ist nur teilweise auf die ungünstige soziale Lebenssituation der absenten Schülerinnen und Schüler zurückzuführen; auch nach Kontrolle solcher sozialen Rahmenbedingungen bleibt eine höhere Delinquenzbelastung dieser Gruppe festzustellen. Für etwa 60% der „aktiven“ Schulverweigerer (Schüler mit langen schulischen Fehlzeiten) waren „Probleme mit Lehrkräften“ die Ursache für ihre Verweigerungshaltung, bei knapp 30% der Jugendlichen waren es „Schwierigkeiten mit Mitschülern“. Kommen Belastungen in anderen, nichtschulischen Bereichen (z.B. Familie) hinzu, die eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Problemen in der Schule erschweren, eskaliert die Situation: Schlechte Schulleistungen sind häufig die Folge, die dann wiederum Auslöser für Schuleschwänzen und Schulabbruch sind. Fast ein Drittel der aktiven Schulverweigerer gibt schulische Fehlzeiten im letzten Jahr in der Regelschule in einer Größenordnung von einem halben bis zu einem ganzen Schuljahr an; weitere knappe 40% kommen auf bis zu 100 Schultage! Auch wenn diese Angaben auf Schätzungen der Schüler beruhen, ist das Ergebnis alarmierend und zeigt, dass Disziplinierungsmaßnahmen zur Einhaltung der Schulpflicht offenbar nicht greifen. Schulverweigerer kommen allerdings bei permissivem Umgang damit häufiger vor. Im Falle einer Schulphobie ist eine rasche Intervention durch Kinder und Jugendpsychiater oder Therapeuten gefragt. Einzeltherapie und Eltern-Lehrer-Training sind etwa vergleichbar effektiv, die Indikationsstellung richtet sich nach der speziellen Problematik und den begleitenden Störungen. Bei jeder Therapiemaßnahme muss überlegt werden, inwieweit sie zum Vermeidungsverhalten beiträgt; die Betroffenen neigen dazu, solche Verfahren zu bevorzugen, die eine Konfrontation mit der angstauslösenden Situation möglichst lange vermeiden . Kritisch zu prüfen ist die Frage, unter welchen Umständen schulischer Einzelunterricht die Gesundung unterstützt oder das Vermeidungsverhalten weiter unterstützt. Schulverweigerer müssen, wann immer möglich, in die Schule gebracht werden. Die nterschiedlichen Formen der Schul- und Unterrichtsverweigerung erfordern ein differenziertes Vorgehen. Zunächst ist grundsätzlich die Schule für jegliche Interventionen bei Schulverweigerung zuständig. Die Schulen müssen frühzeitig, das heißt möglichst präventiv handeln, damit sich die Probleme nicht verfestigen. „Schule ist – neben der Hinterfragung der Ursachen – vor allem gefordert, eine klare Position zu beziehen“ (Helmut Rau KultusministerBaden-Württemberg). Maßnahmen der Schulen: • Gespräche mit der jeweiligen Schülerin/dem jeweiligen Schüler • Gespräche mit den Eltern • First-Day-Call (Anruf zu Hause bereits beim ersten Fehltag) • Elternbriefe • Hausbesuche • Den Fall in der Klassenkonferenz einbringen • Runder Tisch mit Eltern, Lehrern, Schulleitung • Schriftliche Vereinbarung • Einschaltung von Schulpsychologen, Schulsozialarbeitern • Ggf. Bußgeldverfahren einleiten • Einschalten des Jugendamtes
Quellen / Literatur:
Maria Schreiber-Kittl, Schulverweigerung – eine gesellschaftliche Herausforderung Kein Bock auf Schule? DJI BULLETIN Nr. 54, Mai 2001, Eckpunktepapier: Schulschwänzer/Schulverweigerer/Absentismus, Leitlinie Phobische Störungen (F40) des Kindesalters