Hat das Leben einen Sinn? Diese Frage stellt sich für die meisten Menschen erst in einer existenziellen Krisensituation und könnte fast als ein Symptom einer Krise aufgefasst werden. Indogermanisch: sent = gehen, reisen, fahren, eine Richtung nehmen, Althochdeutsch: Sinn (sin) = Verstand, Verstehen, Wahrnehmung, Lateinisch: sentire = fühlen, wahrnehmen, sensus = Gefühl, Sinn, Meinung. Eine Auffassung ist: „Sinn ist kein Wesensbegriff, sondern ein Beziehungsbegriff“; eine Handlung ist sinnvoll in Bezug auf ihr Ziel. Im Gegensatz dazu: Sinn als Objekt; ein Ereignis, eine Handlung ist sinnvoll, wenn es „etwas bedeutet“, wenn es verstanden und erkannt werden kann. Das ergibt sich durch die Verknüpfung und Einbettung eines Einzelphänomens in einen Strukturzusammenhang.„Sinngebung“ bedeutet aus existenzphilosophischer Sicht, ein Entwurf und die aktive Setzung einer Lebenskonzeption, auf der Pläne, Ziele und Handlungen des Einzelnen ausgerichtet werden können. Hierbei besteht nicht nur die „Freiheit“, sondern auch die Verantwortung, das zu tun, weil von außen keine Lebenskonzeption vorgegeben wird. „Sinngebung“ ist also zunächst ein subjektives Geschehen, das allerdings nicht unabhängig von der „Realität“ abläuft, auch wenn diese unterschiedlich interpretiert werden kann. Erfahrungen, die eine Sinngebung ermöglichen, werden durch Sozialisierungsprozesse gesellschaftlich geprägt. Diese Erfahrungen erhalten ihren subjektiven Sinn, wenn sie zu anderen Erfahrungen in Beziehung gesetzt werden (reflexive Bewusstseinsleistung). Die Gesellschaft funktioniert hier als „Lieferant“ einer geordneten „Sinnwelt“. Man muss allerdings beachten, dass Gesellschaften die individuelle Sinnkonstruktion (durch überlieferte Religionen, Ideologien, Normen und institutionale Ordnungen) nicht nur erleichtern und prägen, sondern auch erschweren können. Normalerweise werden Fragen nach dem „Sinn des Lebens“ in der Alltagsroutine nicht gestellt. In einer Krisensituation, durch die Konfrontation mit einer neuen unbekannten und ungeordneten Erfahrung, setzen sich Betroffene gezwungenermaßen (möglicherweise zum ersten Mal) mit diesen Fragen auseinander. Wie etwa: „Was will ich mit meinem Leben anfangen?“ „Gibt es überhaupt einen Sinn des Lebens?“ „Wer bin ich überhaupt?“ Möglicherweise entwickelt sich bei diesen Personen eine „strukturelle Sinnkrise“, weil neue Eindrücke nicht mit dem vorhandenen Wissensvorrat erklärt werden können und sich deshalb das bisherige Relevanzsystem grundsätzlich verändern muss und/ oder es kommt zum Zustand der Entfremdung, denn durch diese neue Erfahrung erscheint die bisherige Wirklichkeitskonstruktion als „fremd“. Sinnerfüllung ist kein statisches Endziel sondern ein Prozess, der durch die Diskrepanz zwischen realer und idealer Lebenssituation motiviert wird. Müssen wichtige Zielsetzungen (z. B. durch ein kritisches Lebensereignis) aufgegeben und können nicht durch neue ersetzt werden, entwickeln sich möglicherweise psychische Störungen (z. B. „existentielle Frustration“), die sich in „Sinnlosigkeitsgefühlen“ (wie etwa Langeweile, Apathie, Leere, Depression) widerspiegeln. Sinn wird als multifunktionales Konzept angesehen ,das sowohl kognitive, motivationale als auch affektive Komponenten aufweist. Eine andere Richtung beschreibt die Sinngebung als Motivationsvorgang, bei dem es darauf ankommt, bestimmte Ziele (Zielcommitments, die durch eine inhaltlich- thematische und durch eine kognitiv- motivationale Komponente bestimmt werden) zu erreichen. Je mehr Ziele der Mensch für erstrebenswert und erreichbar hält, desto sinnvoller empfindet er seine Existenz.