Anhand der Ergebnisse der Kommunikationsforschung, die zwischenmenschliche Interaktionsformen untersucht, entstand die systemische Therapie. Die Grundannahme beruht darin, dass komplexe Systeme nicht durch linear-kausale Zusammenhänge erklärbar sind, sondern nur anhand zirkulärer Prozesse, in denen alles mit allem vernetzt ist. Sie sind somit Ergebnis eines fehlgesteuerten Systems bzw. fehlerhafter Kommunikation (meist Familie oder Partnerschaft). So kann aus systemischer Sichtweise Heilung des einzelnen nur dann geschehen, wenn sich das gesamte System verändert. Hieraus folgt die Forderung, in Therapien am System als Ganzem anzusetzen. So wird von deren Vertretern die Paar- oder Familientherapie bevorzugt. Als wichtigste Techniken sind zu nennen: 1. Die Allparteilichkeit und positive Konnotation den Familienmitgliedern gegenüber, wodurch ein Zugang zum Familiensystem ermöglicht werden soll. 2. Zirkuläre Befragung: Jedes Familienmitglied wird über die Beziehungen zwischen den anderen befragt, wodurch die gegenseitigen Vernetzungen deutlich werden. 3. Paradoxe Intervention oder Symptomverschreibungen: Das Symptom wird als positiv hingestellt und angeordnet, dies noch zu verstärken. Hierdurch verliert das Symptom seine bisherige gruppendynamische Funktion; pathologische Wechselbeziehungen werden unterbrochen und die Familie muss sich in einer neuen Form organisieren. Im systemischen Ansatz wird davon ausgegangen, dass komplexe Systeme eine eigene Fähigkeit zur Selbstorganisation besitzen. Aus diesem Grunde sind die Abstände zwischen den Familiensitzungen recht lang (mindestens ein Monat), um hierdurch dem Familiensystem Zeit zu geben, sich neu zu organisieren. Mitgegebene Hausaufgaben können den Prozess unterstützen. Wegen der geringen Anzahl von etwa fünf bis zehn Therapiesitzungen ist dieses Verfahren sehr ökonomisch. (Federschmidt, Dt Ärztebl 1995; 92: A-41–45) Die Wirksamkeitsnachweise für systemorientierte Familientherapie sind eher gering, lassen es aber als möglich erscheinen, dass sich diese Verfahren aufgrund weiterer Untersuchungen als wirksam erweisen könnten. Die Wirksamkeit der systemischen Familientherapien scheint allerdings erheblich geringer als die der verhaltenstherapeutischen Familientherapie.