Als tiefe Beinvenenthrombose (TVT) versteht man die teilweise oder vollständige Verlegung einer nicht-oberflächlichen Vene im Becken- oder Beinbereich durch einen Thrombus. Es kann sich dabei um eine tiefe Leitvene oder eine Muskelvene handeln.
Meist entsteht der Thrombus in einer tiefen Unterschenkelvene und schreitet dann, durch so genanntes „appositionelles Wachstum“ nach proximal (stammnah) fort. Selten kann die Thrombose in einer oberflächlichen Vene beginnen und sich von dort sekundär ins tiefe Venensystem ausbreiten. Man spricht dann von einer transfaszialen Thrombose. Diese hat ein höheres Embolierisiko.
Ursachen
Thrombosen kommen generell gehäuft bei älteren Patienten vor. Grund ist oft Bewegungsmangel bzw. Bettlägrigkeit. Auch durch die Immobilisation nach Operationen werden Thrombosen begünstigt, dann auch bei jüngeren Patienten.
Desweitern sind Rauchen und die Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva („die Pille“), vor allem in Kombination, wesentliche Risikofaktoren.
Selten liegt einer tiefen Beinvenenthrombose eine erbliche Thromboseneigung zugrunde. Im Wesentlichen sind das:
- APC-Resistenz (meist durch Faktor V-Leiden-Mutation)
- Protein-C- oder Proetein-S-Mangel
- Antithrombin III – Mangel
- Prothrombin 20210-Mutation
- Hyperhomocysteinämie
- Anti-Phospholipid-Syndrom
Auch Tumorerkrankungen jeglicher Art begünstigen die Thromboseentstehung (siehe unten unter „Umfelddiagnostik“)
Symptome
Klassische Symptome der tiefen Beinvenenthrombose sind:
- Ödem (Schwellung / Wassereinlagerung)
- Schmerz
- Spannungsgefühl
- Zyanose (bläuliche Verfärbung der Haut)
Jedoch bleibt eine TVT bei bettlägrigen Patienten häufig asymptomatisch, was die Diagnose erschwert.
Diagnostik
Thrombosefrühzeichen
Als klinische Zeichen für eine Thrombose können die so genannten Thrombosefrühzeichen evaluiert werden:
Payr-Zeichen:
Druck auf die Fußsohne führt, insbesondere auf der Innenseite, zu Schmerzen.
Meyer-Zeichen:
Kompression der Wadenmuskulatur führt zu Schmerzen.
Sigg-Zeichen:
Überstreckung des Beines im Kniegelenk führt zu Schmerzen.
Lowenberg-Zeichen:
Eine Blutdruckmanschette wird um die Wade gelegt und aufgepumpt. Am betroffenen Bein führt dies im Gegensatz zum gesunden Bein zu Schmerzen.
Lisker-Zeichen:
Druck auf die Schienbeinvorderkante führt zu Schmerzen in der Wadenmuskulatur.
Sie sind bei ambulanten Patienten sehr sensitiv, jedoch wenig spezifisch. Bei stationären bettlägrigen Patienten sind die Thrombosezeichen jedoch oft trotz Vorliegens einer TVT negativ.
D-Dimere
D-Dimere sind Abbauprodukte quervernetzten Fibrins. Sie sind bei Thrombosen erhöht, jedoch auch bei zahlreichen anderen Erkrankungen (Herzinfarkt, Sepsis, Leberzirrhose,…) sowie nach Verletzungen, chirurgischen Eingriffen und in der Schwangerschaft.
Ein erhöhter D-Dimer-Wert im Blut ist daher kein spezifischer Hinweis für eine tiefe Beinvenenthrombose. Ein normwertiger D-Dimer-Wert schließt allerdings, vor allem in Zusammenschau mit einer ohnehin eher geringen klinischen Wahrscheinlichkeit, eine Thrombose mit hoher Sicherheit aus.
Ein D-Dimer-Test wird daher nur bei klinisch niedriger oder mittlerer Thrombosewahrscheinlichkeit durchgeführt. Ist der Test dann negativ, ist keine weitere Diagnostik nötig. Bei klinisch hoher Thrombosewahrscheinlichkeit sollte anstatt einer D-Dimer-Bestimmung direkt eine Sonografie durchgeführt werden.
Kompressionssonographie
Die Kompressionssonographie ist heute Mittel der ersten Wahl zur apparativen Diagnostik einer Beinvenenthrombose. Bei dieser nicht strahlenbelastenden, für den Patienten jedoch teils etwas unangenehmen Untersuchung werden die tiefen Becken- und Beinvenen mit dem Ultraschallkopf vom Beckenbereich aus bis zur Knöchelregion verfolgt. Durch Druck mit dem Schallkopf wird überprüft, ob die Vene sich vollständig komprimieren lässt, was das Vorhandensein eines Thrombus ausschließt. Zusätzlich ist die Anwendung der Farbdoppler-Funktion sinnvoll, besonders im Beckenbereich und am Unterschenkel, wo sich die Venen nicht mehr so leicht komprimieren lassen.
Die Untersuchung ist sehr sensitiv und spezifisch.
Phlebographie
Die Phlebographie kommt nur noch selten bei in der Kompressionssonographie nicht eindeutigen Befunden zum Einsatz. Hierbei wird ein Kontrastmittel in eine oberflächliche Beinvene gespritzt. Nach bestimmten Zeitabständen werden Röntgenaufnahmen gemacht, die den Abfluss des Kontrastmittels über das tiefe Venensystem darstellen.
MR-Phlebographie
Eine Darstellung der Venen im MRT ist hauptsächlich dann sinnvoll, wenn eine Thrombose sehr stammnah, im hohen Becken oder im abdominellen Bereich, vermutet wird. Außerdem ist sie nötig, wenn eine operative oder interventionelle Thrombusentfernung geplant ist.
Umfelddiagnostik
Zur Abklärung der Ursache der Thrombose ist oft weitere Diagnostik notwendig. Ist keine andere Ursache der TVT eruierbar, so sollte eine Tumorsuche mittels Bildgebung stattfinden. Die Auswahl der geeigneten bildgebenden Verfahren richtet sich nach dem individuellen Risikoprofil des Patienten.
Ein Thrombophilie-Screening (Faktor V-Leiden-Mutation, Protein-C- und Protein-S-Mangel, Prothrombin-20210-Mutation, Antithrombin III -Mangel, Antiphospholipidsyndrom) ist nicht zwangsläufig nötig und ändert die Therapieentscheidung nur selten. Ggf. kann sie bei begründetem Verdacht auch nach Abschluss der Therapie durchgeführt werden.
Therapie
Antikoagulation
Bei Diagnose einer tiefen Becken- oder Beinvenenthrombose ist unverzüglich eine Antikoagulation einzuleiten. Bei klinisch hoher Wahrschienlichkeit kann diese unter Umständen sogar schon vor der bildgebenden Diagnostik begonnen werden. Sie dient in erster Linie der Verhinderung von Komplikationen wie Lungenembolien und postthrombotischem Syndrom (siehe unten) sowie um einem weiteren Wachstum des Thrombus entgegenzuwirken.
Durch die Antikoagulation wird der bestehende Thrombus nicht aufgelöst. Es werden lediglich Komplikationen verhindert bis der Thrombus durch körpereigene Enzyme aufgelöst wurde (eine vollständige Thrombusauflösung ist selten) oder bindegewebig umgebaut wurde.
Initial (für die ersten 2 – 10 Tage) wird zur Antikoagulation in der Regel niedermolekulares Heparin (NMH) (unfraktioniertes Heparin meist nur noch bei Kontraindikationen gegen NMH wie Niereninsuffizienz) verwendet. Alternativ dazu, insbesondere bei Heparin-induzierter Thrombozytopenie in der Vorgeschichte, kann auf Fondaparinux ausgewichen werden.
Auch einige der NOAKs („non vitamin K antagonist oral anticoagulant“ oder „neue orale Antikoagulantien“) können zur Initialtherapie eingesetzt werden. Dann wird initial eine höhere Dosis als die spätere Erhaltungsdosis gewählt.
An die Initialtherapie schließt sich eine 3-6 monatige Erhaltungstherapie mit Marcumar oder einem NOAK an. Wird zur Erhaltungstherapie ein anderes Medikament als zur Initialtherapie verwendet, so muss dieses in der Regel bereits während der Initialtherapie überlappend aufdosiert werden.
Kompressionsbehandlung
Die Kompressionsbehandlung mit Kompressionsstrümpfen kann die akuten Beschwerden durch die Thrombose lindern und senkt das Risiko für die Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms erheblich.
Rekanalisierende Therapie
Zur vermeidung des postthrombotischen Syndroms kann insbesondere bei jüngeren Patienten die operative oder interventionelle Thrombusentfernung oder lokale Thrombolyse erwogen werden. Eine systemische Thrombolyse wird bei der TVT (im Gegensatz zur Lungenembolie) wegen der hohen Blutungsgefahr nicht mehr angewandt.
Ob eine rekanalisierende Therapie in Betracht kommt, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der behandlungsspezifischen Risiken erwogen werden. Ausnahme ist die Phlegmasia coerulea dolens (komplette Verlegung der aller venösen Abstrombahnen einer Extremität), bei der ein sofortiges operatives Vorgehen indiziert ist.
Vena cava-Filter (auch Vena cava-Schirmchen genannt) zur Verhinderung von Lungenembolien kommen inzwischen nur noch selten zum Einsatz.
Eine Immobilisation ist nicht anzuraten.
Komplikationen
Wesentlich zur Vermeidung von Komplikationen einer tiefen Beinvenenthrombose ist die frühzeitige Diagnose und der rasche Beginn einer adäquaten Behandlung. Je länger eine TVT unerkannt bzw. unbehandelt bleibt, desto schlechter der Therapieerfolg und desto höher das Komplikationsrisiko.
Lungenembolie
Die gefürchtetste und potentiell tödliche Komplikation der tiefen Beinvenenthrombose ist die Lungenembolie, also die Verlegung eines Lungenarterienabschnitts durch einen eingeschwemmten Thrombus. TVTs sind mit Abstand die häufigste Ursache für Lungenembolien. Jedoch kann dieser Komplikation mittels der oralen Antikoagulation sehr effektiv vorgebeugt werden.
Chronisch venöse Insuffizienz
Durch Störungen der Funktion der Venenklappen ist die Entwicklung einer chronischen Veneninsuffizienz (CVI) eine häufige späte Komplikation tiefer Beinvenenthrombosen. Sie tritt in bis zu 30% der Fälle auf und führt zu Ödemen (Wassereinlagerungen), Hautveränderungen (Hämosiderose, Purpura jaune d’ocre, Atrophie blanche, Stauungsekzem) bis hin zu schwer abheilenden tiefgehenden Wunden (Ulcera). Man spricht auch vom „postthrombotischen Syndrom“.