Intelligenz

(siehe auch Flynn Effekt !) Wie sich Intelligenz genau definiert und was damit gemeint ist, ist strittig. Vereinfacht gilt deshalb auch“ Intelligenz ist, was ein Intelligenztest misst“. Übliche Definitionen gehen aber davon aus, dass sie folgende Bereiche umfasst: Fähigkeit, mit Abstraktionen umzugehen; Fähigkeit, zu lernen (Abstraktionen, Wörter und andere Symbole); Fähigkeit, Probleme zu lösen, Fähigkeit Kenntnisse oder Einsichten zu erwerben und auf neue Situationen anzuwenden, die globale Fähigkeit des Individuums, zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Umgebung wirkungsvoll auseinanderzusetzen. Intelligenz ist „das adaptive Verhalten des einzelnen, gewöhnlich charakterisiert durch ein bestimmtes Problemlösungselement und gesteuert von kognitiven Prozessen und Operationen.“ Dabei spielen auch logisches Denken und Problemlösen eine wichtige Rolle. Aber auch nichtintellektuelle Komponenten der Intelligenz wurden ausfindig gemacht: Fähigkeit, Stress und Ablenkungen zu widerstehen; Selbstvertrauen und emotionale Stabilität; Erkennen emotionaler Signale, spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten (musische, sportliche, soziale, …).Zum alltäglichen Verständnis von Intelligenz gehören vor allem Problemlösefähigkeiten, Sprachbeherrschung und Sozialkompetenz, aber auch Charakter, Wissensdurst und Interesse an Kultur.

Fluide Intelligenz meint die Fähigkeit unbekannte Probleme zu lösen und neue Situationen zu bewältigen, ohne dabei auf Wissen zurückgreifen zu müssen. Kristalline Intelligenz ist im Gegensatz dazu die Fähigkeit erworbenes Wissen auf Probleme anwenden zu können. Die fluide Intelligenz nimmt mit dem Alter ab, die kristalline Intelligenz bleibt im Alter erhalten. Von normaler Intelligenz spricht man bei einem IQ von 85 – 115, von Hochbegabung: bei einem IQ über 130 (2 Standardabweichungen über 100), von einer Lernbehinderung oder grenzwertigen Intelligenz bei einem IQ von 70 – 85, von einer geistigen Behinderung bei einem IQ unter 70. Intelligenztests sind ohne Not nur mit Vorsicht einzusetzen. Das Ergebnis ist für viele kränkend, auch wenn sie im Normalbereich mit einem IQ von 85 – 115 abschneiden. Die Erwartung war meist höher als das tatsächliche Ergebnis. Zur Vorsicht wird geraten: Machen Sie nur anonyme Persönlichkeitstests online, und geben Sie nirgends Ihre Email- Adresse an. Es ist nicht ausgeschlossen, dass irgendwelche Gruppen durch Tests labile Personen suchen.

Zwillingsstudien, die die Erblichkeit von Intelligenz untersuchen, gibt es bereits seit den 1920er Jahren. Ein spezielles Intelligenzgen wird es wohl nicht geben, auch wenn sich aus manchen Untersuchungen Kandidaten auftun. Die Größe des Kopfes und besonders dessen Umfangswachstum im ersten Lebensjahr zeigen zwar eine gewissen Korrelation zur Intelligenz- vorhersagen kann man sie damit beim eigenen Sprössling nicht. (PEDIATRICS Vol. 118 No. 4 October 2006, pp. 1486-1492 (doi:10.1542/peds.2005-2629). Auch die genauere Messung des Hirnvolumens zeigt Korrelationen. Der IQ ist positiv korreliert mit dem Hirnvolumen und besonders mit dem Volumen der grauen Rindensubstanz im präfrontalen Cortex der Kinder. (Brain, Vol. 119, No. 5, 1763-1774, 1996) . Auch die Dicke der Hirnrinde korreliert mit dem IQ. (Nature 2006, 440, 676–9, The Journal of Neuroscience, November 15, 2001, 21(22):8819-8829). Kernspintomographen sind aber nicht geeignet eine individuelle Prognose zur Intelligenzentwicklung bei Kinder abzugeben oder gar die Intelligenz zu messen. Der genetische Einfluss auf den IQ scheint mit dem Älterwerden der Kinder zuzunehmen. In einer Verlaufsuntersuchung von 237 holländischen Zwillingspaaren nahm die Schätzung des auf Erblichkeit zurückgehenden Anteils der Intelligenz von 30% im Alter von 5 Jahren auf 80% im Alter von 12 Jahren zu. Auch für Kofaktoren wie exekutive Funktionen schie (ohne Altersvarianz) die Erblichkeit 50% der Varianz auszumachen, für Aufmerksamkeit mehr als 60%. (Acta Neurol Belg. 2006 Dec;106(4):191-207). Der Einfluss der Erblichkeit auf die individuelle Intelligenz spielt im Vergleich zu Umwelteinflüssen also bei älteren Kindern eine größere Rolle als bei jüngeren Kindern (siehe auch Behav Genet. 2002 Jul;32(4):237-49, Twin Res.2002 Dec;5(6):544-53, Science.1990 Oct 12;250(4978):223-8.). Folgende Stufen genetischer Ähnlichkeit können unterschieden werden; es zeigen sich jeweils unterschiedliche Korrelationen zwischen den IQs: EEZ, gemeinsam aufgewachsen: .87, EEZ, getrennt aufgewachsen: .68, ZEZ gleichen Geschlechts, gemeinsam aufgewachsen: .55, ZEZ verschiedenen Geschlechts, gemeinsam aufgewachsen: .49, Normale Geschwister, zusammen aufgewachsen: .55, Normale Geschwister, getrennt aufgewachsen: .26, Pflegeeltern und Pflegekinder: .20, Nichtverwandte Personen etwa gleichen Alters, die gemeinsam in der selben Pflegefamilie oder in dem selben Pflegeheim aufwachsen: .24, Nichtverwandte Personen, die getrennt aufwachsen: -.01, SKODAK und SKEELS (1949) fanden keine Korrelation zwischen dem IQ des Kindes und der Bildung des Pflegevaters bzw. der Pflegemutter; aber die Korrelationen mit dem IQ oder der Bildung der biologischen Eltern rangieren zwischen .32 und .44. Man kam zu Schätzungen, dass 80% des Einflusses auf IQ-Unterschiede von genetischen Bedingungen herrühren; diese Zahl gilt nur bei homogenen Gruppen. Der den Umweltunterschieden zugeordnete Einfluss wäre größer gewesen, wenn die Umweltbedingungen für die getrennt erzogenen EEZ noch unterschiedlicher gewesen wäre. Intelligenz ist also sowohl angeboren, als auch bis zu einem gewissen Grad förderbar. Zeigen sich in bestimmten Bereichen der Intelligenz Defizite, kann man versuchen, durch ein gezieltes Training diese teilweise auszugleichen. Erblichkeit von Intelligenz oder Persönlichkeitseigenschaften bedeutet nicht, dass Elternhaus, Erziehung und Schule unwichtig wären. Nicht zuletzt hängt auch die sinnvolle Nutzung der vorhandenen Intelligenz vom Elternhaus und der Bildung ab. Ein etwa 100 Jahre Mythos, der suggerieren sollte, dass jeder wenn er sich nur anstrengt und gefördert wird, es zum Genie bringen kann ist aber definitiv falsch. Dieser Mythos tauch beispielsweise in Mutmaßungen, dass wir nur 10% unserer Gehirnzellen oder unseres Gehirns nutzen würden. Das ist nach jeglicher Forschung falsch. Hirnschädigungen verursachen Ausfallserscheinungen, die allerdings oft kompensiert werden können. Inaktive oder schlafende Hirnzellen hat man bisher mit wissenschaftlichen Methoden allerdings nicht finden können.

Eine aktuelle dänische Studie fand heraus, dass Stillen zu intelligenteren Kindern führt und bestätigte damit die Ergebnisse von Voruntersuchungen. Untersucht wurden zwischen 1959 und 1961 in Kopenhagen geborenen Kinder. Gemessen wurden zwei Gruppen von immerhin zusammen über 3000 Personen mit 2 verschiedenen Intelligenztests im Alter von 18 und 27 Jahren. Das Stillverhalten war von den Müttern direkt nach dem ersten Lebensjahr erfragt worden. Je länger gestillt wurde, umso eher war der Unterschied signifikant, allerdings gilt dieser Effekt nur für die ersten neun Lebensmonate, danach ließ sich kein weiterer Effekt des Stillens mehr nachweisen. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Mütter, die nicht rauchen, eher stillen und anderer Störfaktoren blieb das Ergebnis signifikant. Auch andere Studien haben einen solchen Effekt des Stillens beschrieben. Teilweise war dabei davon ausgegangen worden, dass dies damit zusammenhängt, dass intelligentere Mütter eher stillen. Es gibt allerdings auch Studien die einen solchen Effekt des Stillens unabhängig von der Intelligenz der Mütter nachwiesen. Stillen ist generell auch für die Mutter- Kindbeziehung sehr günstig, und kann damit auch emotionalen Störungen vorbeugen. Dieser engere emotionale Kontakt könnte auch bei der Intelligenzentwicklung eine Rolle spielen. Es ist allerdings nach Auffassung der Autoren der Studie unwahrscheinlich, dass die emotionale Komponente alleine das langdauernd bessere Abschneiden in Tests erklären kann. Eine Vermutung der Autoren ist, dass die Muttermilch Substanzen enthält, die die Entwicklung des kindlichen Gehirns fördern. Eine Hypothese dabei ist, dass bestimmte langkettige ungesättigte Fettsäuren dabei eine wesentliche Rolle spielen. Solche werden heutzutage im Gegensatz zu 1960 teilweise dem käuflichen Milchersatz zugegeben. Möglicherweise ist damit der Unterschied zwischen gestillten und nicht gestillten Kindern heute geringer als bei der 1960 geborenen Generation. Erik Lykke Mortensen, PhD; Kim Fleischer Michaelsen, MD, ScD; Stephanie A. Sanders, PhD; June Machover Reinisch, PhD, The Association Between Duration of Breastfeeding and Adult Intelligence JAMA. May 8 2002;287:2365-2371

Schulerfolg scheint zumindest bei Ärzten für die Prognose des Berufserfolgs wesentlicher als die alleinige Intelligenz. Möglicherweise sind in den Schulnoten besser die Faktoren Allgemeinwissen, Lerngewohnheiten und Fleiß sowie Anpassungsfähigkeit enthalten. Für die Berufstauglichkeit und beruflichen Erfolg eines Menschen ist neben seiner allgemeinen Intelligenz, sein Fleiß und Vorwissen, seine Gewissenhaftigkeit, Integrität, Verträglichkeit, emotionale Stabilität und der Ergeiz wichtig. Weniger exakt definiert die der Begriff der emotionalen Intelligenz, gemeint ist in der Regel Einfühlungsvermögen, Intuition, Kontrolle der Gefühle sowie die Fähigkeit der Selbsteinsicht. Wesentlich ist dabei die Fähigkeit eigene Emotionen zu erkennen, vorhandene Emotionen kontrollieren, diese aber auch zielgerichtet in Handlungen umzusetzen. Wichtiger Bestandteil ist dabei das Einfühlungsvermögen in andere (Empathie). Emotionale Intelligenz ist wesentliche Voraussetzung für Beziehungsfähigkeit und wirkt sich damit erheblich auf den sozialen Erfolg oder die Arbeitsfähigkeit aus. Emotionale Intelligenz steht auch in engem Zusammenhang mit der sozialen Kompetenz: Kommunikationsfähigkeit, Umgang mit anderen Menschen, sozialer Führungsstil und Teamfähigkeit. Salovey (1997) definiert „Emotionale Intelligenz als die Fähigkeit Emotionen korrekt wahrzunehmen, zu bewerten und auszudrücken; die Fähigkeit Zugang zu seinen Gefühlen zu haben bzw. diese zu entwickeln um gedankliche Prozesse zu erleichtern; die Fähigkeit Emotionen zu verstehen und ein emotionales Wissen zu besitzen; und die Fähigkeit Emotionen zu regulieren um emotionales und intellektuelles Wachstum zu unterstützen. Intelligente Menschen leben im Durchschnitt länger. In Schweden hat man dazu die Daten von 49 323 Männern die zwischen 1949–51 geboren wurden ausgewertet, die Beurteilung der Intelligenz stützte sich dabei auf die Musterungsuntersuchungen von 1969/70, es wurden die Todesursachen dieser Kohorte im Schwedischen Register von 1971–2000 ausgewertet. Die Mortalität war insgesamt umso höher, je niedriger die Intelligenz, dies betraf kardiovaskuläre Erkrankungen genauso wie Unfälle, Gewalt oder Alkoholtodesfälle.

 

Quellen / Literatur:

  1. C. R. Gale, F. J. O’Callaghan, M. Bredow, C. N. Martyn, and the Avon Longitudinal Study of Parents and Childre The Influence of Head Growth in Fetal Life, Infancy, and Childhood on Intelligence at the Ages of 4 and 8 Years Pediatrics, October 1, 2006; 118(4): 1486 – 1492. [Abstract]
  2. B. Anderson, M. J. Tramo, and M. S. Gazzaniga Brain size, head size, and intelligence quotient in monozygotic twins Neurology, July 1, 1999; 53(1): 239 – 239.
  3. E. B. Isaacs, C. J. Edmonds, W. K. Chong, A. Lucas, R. Morley, and D. G. Gadian Brain morphometry and IQ measurements in preterm children Brain, December 1, 2004; 127(12): 2595 – 2607. [Abstract] [Full Text] [PDF]
  4. S. Choudhury, S.-J. Blakemore, and T. Charman Social cognitive development during adolescence Soc Cogn Affect Neurosci, December 1, 2006; 1(3): 165 – 174. [Abstract]
  5. M. D. De Bellis, M. S. Keshavan, S. R. Beers, J. Hall, K. Frustaci, A. Masalehdan, J. Noll, and A. M. Boring Sex Differences in Brain Maturation during Childhood and Adolescence Cereb Cortex, June 1, 2001; 11(6): 552 – 557. [Abstract]
  6. IC McManus, Eleni Smithers, Philippa Partridge, A Keeling, and Peter R Fleming A levels and intelligence as predictors of medical careers in UK doctors: 20 year prospective study BMJ 2003; 327: 139-142 [Abstract] [Full text] [PDF],
  7. McClearn GE, Johansson B, Berg S, Pedersen NL, Ahern F, Petrill SA, et al. Substantial genetic influence on cognitive abilities in twins 80 or more years old. Science 1997; 276: 1560-1562.
  8. G David Batty, Geoff Der, Sally Macintyre, Ian J Deary, Does IQ explain socioeconomic inequalities in health? Evidence from a population based cohort study in the west of Scotland, BMJ, ;2006;332:580-584, doi:10.1136/bmj.38723.660637.AE (published 1 February 2006) [Abstract] [Full text] [PDF;
  9. IQ-Tests verschiedene Tests rund um Wissen, Intelligenz und Persönlichkeit Intelligenztests Mensa International Mensa und rund um die Intelligenz Validität von Intelligenztests Erfasst der Test tatsächlich dass, was er zu erfassen vorgibt? Verändertes Denken – im Zusammenhang mit Hochbegabung Online-Tests
  10. Einführung in die Pädagogische Psychologie, Exzerpt zu Gage, N.L. & Berliner, D.C. (1986).Pädagogische Psychologie, 4. Auflage. Weinheim und München, Psychologische Verlags Union, Beltz.
  11. Rainer Zwisler, 1994. Intelligenz nimmt mit dem Kopfumfang bei Erwachsenen zu, Menschen mit einen großen Kopfumfang bekommen auch später und seltener Gedächtnisstörungen. Catharine R. Gale, Sheila Walton, and Christopher N. Martyn Foetal and postnatal head growth and risk of cognitive decline in old age, Brain 2003 126: 2273-2278.[Abstract] [Full Text]
  12. Tomas Hemmingsson, Bo Melin, Peter Allebeck, and Ingvar Lundberg, The association between cognitive ability measured at ages 18–20 and mortality during 30 years of follow-up—a prospective observational study among Swedish males born 1949–51 Int. J. Epidemiol. 35: 665-670; doi:10.1093/ije/dyi321
Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur