Transitorische ischämische Attacke, vorübergehende Durchblutungsstörung des Gehirns, als Vorbote eines Schlaganfalls. Gemeint sind vorübergehende Symptome, die sich vollständig innerhalb eines Tages spätestens zurückbilden.
Die klassische Differenzierung von transitorisch ischämischen Attacken (TIA) und vollendeten ischämischen Schlaganfällen gilt als überholt. Die Eingruppierung von Schlaganfällen nach der Dauer der Symptome wird zunehmend durch eine pathophysiologische Einteilung ersetzt, nachdem gezeigt werden konnte, dass auch bei vielen Patienten mit flüchtiger Symptomatik morphologische Hirnschäden nachweisbar sind und sich die Rezidivrate von Patienten mit persistierender Symptomatik nicht unterscheidet. Deshalb wird in den Leitlinien der DGN nur noch der Begriff „ischämischer Schlaganfall“ für alle Formen der akuten fokalen zerebralen Mangeldurchblutungen benutzt.
Typische Symptome einer TIA sind: Hemiparese und Hemihypaesthesie (Halbseitenlähmung bzw. Sensibilitätsstörungen) bei bis zu 50%, Sprach– oder Sprechstörungen bei etwa 40%, Amaurosis fugax oder Hemianopsie (einseitige Sehstörungen auf einem Auge oder in einer Gesichtsfeldhälfte) bei 20-30%, Doppelbilder 3-8%, Drehschwindel bei etwa 6%, Hemiataxie bei etwa 6%. Daneben kommen andere unspezifischere Symptome wie Bewusstseinsstörungen , Verwirrtheit, Amnesie; Unruhe, diffuser Schwindel, beidseitige Schwäche, allgemeines Unwohlsein, etc. vor. Das Erstmalige Auftreten solcher Symptome sollte immer ein Grund für eine akute oder sofortige medizinische Abklärung sein. Der CCT-Befund ist in der Regel unauffällig. Im diffusionsgewichteten Kernspin zeigen sich bei 21 bis 67% kleine ischämische Läsionen. Eine TIA ist in der Akutphase zunächst ein medizinischer Notfall und bedarf sofortiger neurologischer Abklärung. Carotisstenosen und Vorhofflimmern müssen möglichst zeitig ausgeschlossen und ggf. auch behandelt werden. Besonders gefährdet sich Patienten mit einem hohen ABCD-Score, insbesondere bei Symptomdauer über einer Stunde und Auffälligkeiten im diffusionsgewichteten Kernspin, bzw. Vorliegen einer Carotisstenose.
Wer eine akute einseitige Lähmung, einseitige Taubheitsgefühle auch nur ein Bein oder einen Arm betreffend, plötzliche Sehstörungen auf einem oder beiden Augen, Doppeltsehen, eine akute Gangstörung, Gleichgewichtsstörungen, Sprach– oder Sprechstörungen, Verwirrtheit oder eine kurzdauernde Bewusstseinsstörung hat, sollte sich umgehend ärztlich untersuchen lassen oder den Notarzt rufen. Tel. in Deutschland: 110 oder 19222.
ABCD-Score – eine Möglichkeit das akute Risiko- und damit die Notwendigkeit einer stationären Abklärung einzuschätzen: An einem unabhängigen Kollektiv wurde der Vorhersagewert für das Auftreten eines Schlaganfalls innerhalb von 7 Tagen validiert. 95% der Schlaganfälle traten in den ersten 7 Tagen nach der TIA bei Patienten mit einem Score von 5 oder 6 auf: 16,3% (95% KI 6 bis 26,7%) der Patienten mit einem Score von 5 und 35,5% (95% KI 18,6 bis 52,3%) entwickelten einen Schlaganfall. Der ABCD-Score ermöglicht somit die einfache Identifizierung von TIA¬Patienten mit einem hohen Kurzzeitrisiko für nachfolgende Schlaganfälle. Offensichtlich werden durch einen Score von 5 Punkten und mehr Patienten mit zerebraler Ischämie und instabiler Situation erkannt, während Patienten mit unspezifischer klinischer Symptomatik und einer anderen Differenzialdiagnose einen Score < 5 aufweisen. Patienten mit einem ABCD-Score von 5 und 6 sollten demnach unverzüglich einer raschen, weiterführenden Überwachung, Diagnostik und Therapie zugeführt werden. Gerade bei diesen Patienten ist ein intensives Monitoring während der ersten 48 Stunden nach der TIA empfehlenswert . 9% aller Patienten mit einer TIA haben einen Score von 6. Eine stationäre Abklärung ist bei TIA-Patienten sinnvoll, wenn rezidivierende TIAs oder TIAs unter Behandlung auftreten, oder je nach individueller Situation des Patienten (z.B. Komorbidität, Alter, soziale Situation).
Kurzzeitrisiko für einen Hirninfarkt innerhalb einer Woche bei Patienten mit TIA in Abhängigkeit vom ABCD-Score | ||
Parameter (ABCD) | Wert | Score |
Alter | > 60 Jahre |
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Blutdruck | >140 mm Hg systolisch oder > 90 mm Hg diastolisch |
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Klinische (C) Symptomotik |
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Dauer der Symptome |
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Welches Risiko haben Menschen, die eine Einengung der Arteria carotis interna im intracraniellen Verlauf (Verlauf im Schädel) haben, und bei denen im Versorungsgebiet des Gefäßes bereits ein Schlaganfall- Vorbote (TIA) oder ein Schlaganfall aufgetreten ist? Wahrscheinlichkeiten | |||
Innerhalb von | Nur TIA(n = 222) | Schlaganfall(n = 241) %, 95% CI | Schlaganfall und TIA(n = 106) |
7 Tagen | 1.4 (0.4-4.1) | 1.3 (0.4-3.9) | 4.7 (2.0-11.0) |
14 | 3.2 (1.5-6.6) | 1.3 (0.4-3.9) | 7.6 (3.9-14.6) |
30 | 4.5 (2.5-8.3) | 3.0 (1.4-6.2) | 9.5 (5.2-16.9) |
90 | 6.9 (4.2-11.2) | 4.7 (2.7-8.4) | 12.4 (7.4-20.4) |
1 Jahr | 7.9 (5.0-12.4) | 11.7 (8.0-16.8) | 17.6 (11.5-26.5) |
2 Jahre | 10.7 (7.1-16.2) | 15.5 (11.1-21.5) | 17.6 (11.5-26.5) |
Patienten mit TIA bei denen sich zu Beginn ein stummer Infarkt im Kernspin zeigte hatten ein 4,7- fach erhöhtes Risiko gegenüber Patienten ohne stummen Infarkt im Kernspin bei Aufnahme in die Studie. Bruce Ovbiagele, et al., Early Stroke Risk After Transient Ischemic Attack Among Individuals With Symptomatic Intracranial Artery Stenosis Arch Neurol. 2008;65(6):733-737 |
Die Diagnose einer TIA stützt sich oft ausschließlich auf die Symptomschilderung des Patienten. Dessen Fähigkeit zu einer objektiven Berichterstattung kann deutlich beeinträchtigt sein. Die neurologischen Defizite selbst können die Auffassungsgabe und das Gedächtnis des Patienten beeinträchtigen. Selbst wenn die Symptome perfekt erinnert werden, kann es leicht zu Verwechslungen mit ganz ähnlichen Syndromen kommen. Insbesondere Synkopen epileptische Anfälle; Migräne, paroxysmaler Schwindel, Konversionsstörungen, Panikattacken können leicht mit einer TIA aus der anamnestischen Schilderung verwechselt werden. Per Definition müssen deshalb eine kardial bedingte Synkopen, orthostatische Hypotonie, epileptische Anfälle; Migräne, paroxysmaler Schwindel, Morbus Menière Konversionsstörungen, Panikattacken und Hypoglykämien ausgeschlossen worden sein um von einer TIA ausgehen zu können. (siehe auch JAMA. 2007;298(24):2877-2885 ABSTRACT. ) Für den Patienten ist es aber bei erstmaligen Auftreten zunächst wichtig notfallmäßig Hilfe zu holen. Nicht selten stellen deshalb 2 verschiedene Neurologen unterschiedliche Diagnosen. Die Unterscheidung ist anderseits oft vital wichtig, da Studien zeigen, das Risiko eines Schlaganfalls nach einer TIA in den nächsten Tagen oder Wochen hoch ist, es beträgt im ersten Vierteljahr nach einer TIA immerhin 11%
Nach einer TIA ist eine schnelle Reaktion sehr sinnvoll. Die Kombination aus einem Lipidsenker, Antihypertensivum und Antikoagulation reduziert die Häufigkeit tödlicher Verläufe und bleibender schwerer Behinderung um 94 %. Die zu erwartenden Behinderungen und die Todesfälle werden sehr eindrucksvoll reduziert. The Lancet Neurology, 2009 ,8,3, 235 – 243, March 2009
Quellen / Literatur:
Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) veröffentlicht unter http://www.dsg-info.de/seiten/StrokeUnitsListe.asp eine Liste der Stroke Units, also der Spezialabteilungen für Patienten mit einem akuten Schlaganfall.