Devic-Syndrom oder Devic- Erkrankung

gebräuchliche Bezeichnung für die Neuromyelitis optika, ein Syndrom mit einer akuten oder subakuten demyelinisierenden Myelitis (Rückenmarksentzündung) und einer einseitigen oder beidseitigen Optikuneuritis. Manchmal wird das Syndrom als eine Sonderform der MS angesehen. Klinische, laborchemische und immunologische sowie pathologische Auffälligkeiten unterscheiden allerdings das Syndrom von der MS. Es handelt sich wie bei der MS um eine auf Autoantikörper vermittelte Erkrankung. Es gibt einen hochspezifischen Serum- Autoantikörper- Marker (NMO-IgG) der die Neuromyelitis optika von der Multiplen Sklerose unterscheidet und der wohl zukünftig helfen wird dieses spezifische Krankheitsbild abzugrenzen. NMO-IgG reagiert mit dem Wasserkanal Aquaporin 4. Soweit bekannt kommen die Autoantikörper gegen Aquaporin 4 aus peripheren B-Zellen und verursachen eine Aktivierung von Komplement, entzündlicher Demyelinisierung und Nekrose die sich bei der Neuromyelitis optica finden. Per Definition müssen für die Diagnose eine transverse Myelitis und eine Optikusneuritis sowie mindestens 2 der folgenden Krieterien vorliegen: Kernspintomographie des Kopfes nicht hinweisend auf eine Multiple Sklerose; Rückenmarksläsionen, die über 3 oder mehr Wirbelsegmente gehen, oder seropositiv für NMO-IgG. Die Erkrankung tritt gehäuft im Kontext mit anderen Autoimmunerkrankungen, besonders dem systemischen Lupus erythematodes und dem Sjögren- Syndrom auf, antinukleäre Antikörper findens sich aber auch bei vielen Betroffenen, die keine andere Autoimmunkrankheit haben. In der Kernspintomographie des Kopfes sind allerdings auch manchmal bei der Neuromyelitis optika Hirnläsionen nachweisbar, die allerdings meist nicht mit Ausfällen oder Symptomen zusammenpassen. Daneben haben diese Patienten, wie andere Menschen auch manchmal unspezifische Läsionen in der Kernspintomograhie des Kopfes. Der Verlauf ist bei 80–90% mit Schüben, 10–20% haben einen monophasischen Verlauf. 60% der Patienten haben innerhalb eines Jahres einen weiteren Schub, 90% innerhalb von 3 Jahren. Die Symptome bessern sich nach den einzelnen Schüben über Monate graduell. Stufenweise Verschlechterungen im Rahmen der Schübe über die Jahre bis hin zu schwerer Behinderung kommen vor, allerdings im Gegensatz zur MS kein Sekundär progressiver Verlauf. Nach 5 Jahren sind die Hälfte der Patienten auf einem oder auf beiden Augen blind oder sind nicht mehr ohne Unterstützung gehfähig. Je mehr Schübe und je schwerer die Schübe in den ersten beiden Jahren um so schlechter die Prognose. 1999 wurde die 5- Jahresüberlebensrate mit 68% angegeben, wobei die Todesursache meist die neurogene Ateminsuffizienz war. Die Prognose ist also schlechter als bei der MS.

Das mediane Alter bei Beginn ist mit 39 Jahren 10 Jahre später als bei der MS, sie kommt aber auch bei Kindern und im Alter vor. Im Gegensatz zur MS ist die Neuromyelitis optika bei Asiaten und Farbigen häufiger als bei Weißen, in Europa überwiegen aber die Weißen, die ja auch die Bevölkerungsmehrheit stellen. Familiäre Fälle kommen vor, eine eindeutige Erblichkeit ist aber noch nicht gesichert. Noch ausgeprägter als bei der MS sind zu 90% Frauen betroffen. Im Kernspin des Kopfes findet sich ein Normalbefund oder unspezifischen Läsionen der weißen Substanz, bei 10% einzelne Läsionen im Hypothalamus, Corpus callosum, periventrikulär, oder im Hirnstamm. Der Hirnstamm wird aber nur extrem selten betroffen. Im Liquor findet sich manchmal eine kräftige Pleozytose mit polymorphonucleären Zellen und mononukleären Zellen. Die oligoclonalen Banden sind nur bei 15-30% positiv (bei der MS in 85%).

Behandlung: Im akuten Schub wird mit Kortison und/oder Plasmapherese behandelt. Daten zu immunosuppressiven Behandlungen gibt es bisher nur wenige. Azathioprin (2,5–3,0 mg/kg/Tag) in Kombination mit oralem Prednison (~1,0 mg/kg/Tag) war in einer kleinen Serie für wirksam befunden worden. Einzelbeobachtungen sprechen auch für eine eventuelle Wirksamkeit von Mitoxantron, intravenösen Immunglobulinen (Einzelfallbericht), und Rituximab. Für β-Interferone und Glatiramerazetat gibt es bisher keinen Wirkungsnachweis, obwohl auch hier eine Wirkung vorstellbar wäre.

Die Bestimmung der NMO-IgG und Aqp4-Antikörper ist in Deutschland im Labor Prof. Seelig et al., Kriegsstrasse 99, 76133 Karlsruhe (Bestimmung von Aqp4-AK; Radioimmunopräzipitationsassay) möglich. Aquaporin 4-Autoantikörper NMO

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur