Beim „Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)“ soll durch Kontrolle der Serumspiegel die Effizienz der Medikamentenbehandlung gesteigert und deren Risiken vermindert werden. Alteingeführt und notwendig ist dies beispielsweise in der Epilepsiebehandlung oder der Behandlung mit Gerinnungshemmern. TDM ist auch oft in der Psychopharmakotherapie sinnvoll. Die meisten erwünschten und unerwünschten Effekte von Psychopharmaka sind abhängig von der Dosis und damit auch von der Konzentration des Wirkstoffs am Wirkort im Gehirn. Die gemessenen Serumkonzentrationen oder der Blutspiegel korrelieren mit den Konzentrationen im Gehirn. Da die Medikamente von einzelnen Menschen oft sehr unterschiedlich aufgenommen und verstoffwechselt (Abbau von Arzneimitteln genetisch bedingt sehr unterschiedlich) werden, Wechselwirkungen eine Rolle spielen, geht der gemessene Blutspiegel nicht unbedingt parallel zur eingenommenen Dosis. Durch Überprüfung der Serumspiegel kann die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf ein Medikament erhöht und das Risiko des Auftretens von Nebenwirkungen vermindert werden. Bei einem Rezidiv der psychischen Störung unter Erhaltungsdosis kann beispielsweise durch TDM festgestellt werden, ob einfach der Serumspiegel aus unterschiedlichen Gründen abgesunken ist, oder das Medikament tatsächlich nicht mehr ausreichend wirkt. Es kann so kontrolliert werden ob überhaupt Compliance vorhanden ist (der Patient das Medikament überhaupt einnimmt), Arzneimittelwechselwirkungen oder andere Krankheiten den Blutspiegel beeinflusst haben. Bei alten Patienten ist oft durch Begleiterkrankungen besondere Vorsicht mit Medikamenten notwendig, hier hilft das TDM Sicherheit zu schaffen. Zukünftig wird die Bedeutung genetischer Tests zur Vorhersage pharmakokinetischer Variabilitäten eine große Rolle spielen und erlauben vorherzusagen, welche Dosis eines Medikamentes von einer Person benötigt wird. Mit TDM lässt sich auch der Verdacht auf Nichteinnahme der verordneten Medikamente oder entsprechend sonst falscher Angaben (z.B. bei Gutachten) untermauern. Sinnvoll ist TDM bei fehlendem Ansprechen trotz klinisch üblicher Dosis, ausgeprägte Nebenwirkungen trotz klinisch üblicher Dosis, ein Rezidiv unter einer Erhaltungsdosis, pharmakogenetische Besonderheiten, unklare Pharmakokinetik bei Kindern, Jugendlichen oder Alterspatienten oder forensische Indikationen, bzw. sonstigen Gutachtensituationen. Wichtige Indikation für TDM sind Kombinationsbehandlungen mit Medikamenten mit Interaktionspotential. Die Blutentnahme erfolgt im so genannten Steady-state, das bedeutet erst wenn man nach der jeweiligen Halbwertszeit von einem ausreichenden und stabilen Serumspiegel ausgehen kann (Meist nach einer Woche in voller Dosis), die Spiegelbestimmung sollte zum Zeitpunkt der minimaler Blutspiegel am jeweiligen Tag erfolgen (idealerweise vor der nächsten Einnahme oder morgens nüchtern). Die Behandlung erfolgt allerdings nicht nur nach dem Blutspiegel, entscheidend ist meist das Therapieansprechen und das Auftreten von Nebenwirkungen. Wenn bei niedrigem Serumspiegel eine ausreichende Wirkung vorhanden ist, ist dies meist kein Grund die Dosis zu erhöhen. Interessant ist die Messung von Serumspiegeln bei Begutachtungen, hier ist die Differenz zwischen Angaben und Nachweis ein Hinweis auf die Glaubwürdigkeit der Angaben zu den Beschwerden. Nur in den Ausnahmefällen stimmen in Rentenverfahren die Angaben zur Einnahme von Antipsychotika, Antidepressiva, Schmerzmitteln etc. mit den Angaben der Betroffenen zur Medikmenteneinnahme überein. Beispiel ist eine Untersuchung bei der 362 Medikamentenspiegel von Schmerzmitteln in Rahmen einer Begutachtung bestimmt wurden, nur bei 19,4ˆ% der Patienten waren alle angegebenen Medikamente laborchemisch nachweisbar, hingegen waren bei 37,9 % die Laboranalysen negativ. „Bei der Begutachtung im Rentenverfahren ergab eine Stichprobenanalyse in der Mehrzahl der Fälle eine nicht nachweisbare oder deutlich unterhalb des therapeutischen Bereichs liegende Wirkstoffmenge im Serum. Daraus kann abgeleitet werden, dass entweder die Therapie nicht optimal ist bzw. noch weitere Behandlungsoptionen bestehen oder dass möglicherweise nur ein geringer Leidensdruck vorliegt. Auf eine Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der vorgebrachten Beschwerden und der tatsächlichen Beeinträchtigung kann dann geschlossen werden.“
Zitat aus C. Geretsegger, Poster 656 DGN Kongress 2008 in Hamburg: Bestimmung der Serumspiegel von Psychopharmaka bei 180 Rentenbewerbern in Österreich: Bei 50% der Untersuchten betrug der Blutspiegel 0,0 ng/ml (45,7% Österr., 54,6% anderer Abstammung), bei weiteren 6,7% lag er nahe dem Nullwert. Nur bei 23,3% lag der Plasmaspiegel im Referenzbereich, bei 3,9% darüber. Bei der Mehrheit wurde eine affektive Störung (157/87,2%) nach [CD-10 diagnostiziert, davon bei 154 eine depressive Episode oder rezidiv. Depression. Diskussion. Die Hälfte der untersuchten Pensionswerber hat die verordnete psychopharmakologische (meist antidepressive) Medikation überhaupt nicht eingenommen, bei einem weiteren Viertel lag der gemessene Wert unterhalb des Referenzbereiches mit Untersuchungen zum Plasmaspiegel von Analgetika bei Schmerzpatienten. Plasmaspiegel-Untersuchungen von Psychopharmaka sollten zum Standard in der Begutachtung gehören, können doch damit der subjektive Leidensdruck des Betroffenen und das Ausmaß der psychischen Störung besser eingeschätzt werden. Letztlich kann der Gutachter auch damit die Konsistenz der Angaben des Untersuchten besser beurteilen.
Empfohlene Plasmakonzentrationen von Psychopharmaka |
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Antidepressiva
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Antipsychotika
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Stimmungsstabilisierer |
Amitriptylin plus Nortriptylin 80-200 ng/ml Citalopram 30-130 ng/ml Clomipramine plus Norclomipramin 175-450 ng/ml Desipramine 100-300 ng/ml Doxepin plus Nordoxepin 50-150 ng/ml Duloxetin 60-120 ng/ml Escitalopram 15-80 ng/ml Fluoxetin plus Norfluoxetin 120-300ng/ml Fluvoxamin 150-300 ng/ml Imipramin plus Desipramin 175-300 ng/ml Maprotilin 125-200 ng/ml Mirtazapin 40-80 ng/ml Nortriptylin 70-170 ng/ml Paroxetin 70-120 ng/ml Reboxetin 60-200 ng/ml Sertralin 10-50 ng/ml Trimipramin 150-350 ng/ml Venlafaxin plus 0-Desmethylvenlafaxin 195-400 ng/ml |
Amisulprid 100-320 ng/ml Aripiprazol 150-250 ng/ml Clozapin 350-600 ng/ml Fluphenazin 0.5-2 ng/ml Flupentixol 2-15 ng/ml Haloperidol 5-17 ng/ml Olanzapin 20-80 ng/ml Paliperidon 20-60 ng/ml Perazin 100-230 ng/ml Perphenazin 0.6-2.4 ng/ml Quetiapin 70-170 ng/ml Risperidon plus 9-Hydroxyrisperidon 20-60 ng/ml Ziprasidon 50-120 ng/ml Zuclopentixol 4-50ng/ml
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Carbamazepin 6-12 pg/ml Lithium 0.5-1.2 mmol/l Valproat 50-100 pg/ml |
Baumann P; Hiemke C, Ulrich S, et al. (2004) The AGNP TDM Expert Group Consensus GuidelInes: Therapeutic drug monitoring in psychiatry. Pharmacopsychiatry 37: 243-265, Hiemke C, Baumann P, Laux G, et al. (2005) Therapeutisches Drug Monitoring in der Psychiatrie. Psychopharmakotherapie 12: 166-182 |
Zitat aus der Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen: Bedeutung bei der „Konsistenzprüfung“ der gemachten Angaben kommt im Einzelfall auch dem Serumspiegel der aktuell als eingenommen beschriebenen Medikamente zu. Nahezu alle in der Schmerztherapie und Psychiatrie relevanten Medikamente sind heute ohne größere Probleme, meist mit der Methode der Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC), nachweisbar. Viele größere Labors bieten entsprechende Bestimmungen an. Opiate und Benzodiazepine können ggf. auch im Urin nachgewiesen werden. Bezüglich der Quantifizierung sind allerdings Probleme der individuellen Verstoffwechselung zu berücksichtigen. Der Proband ist über den Zweck der Untersuchung aufzuklären.
Quellen / Literatur:
Hiemke et al., Therapeutisches Drug Monitoring in der Psychiatrie Konsensusleitlinie 2005 AWMF online – Leitlinie Pharmakotherapie Christoph Hiemke, Drug Monitoring und Toxikologie Therapeutisches Drug Monitoring von Antidepressiva und Antipsychotika J Lab Med 2004;28(4):326–333 Walk, H.-H. Wehking, E. Objektivierung von Schmerz unter besonderer Berücksichtigung der Medikamentenspiegel MED SACH 101 (2005) No5, Roeser, A. Hausotter, Welche Bedeutung haben Serumspiegelbestimmungen von Pharmaka bei der Begutachtung?MED SACH 101 (2005) No5 B. Widder, R. Dertwinkel, U.T. Egle, K. Foerster,· M. Schiltenwolf, Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen, Psychotherapeut 2007 · 52:334–346 DOI 10.1007/s00278-007-0551-0