Dysphagie

Schluckstörung infolge Schwächung der Schluckmuskulatur. Unfähigkeit, den Speisebrei mit Hilfe der Zunge zwischen die Zähne und in den Rachen zu transportieren, den Nasopharynx beim Schlucken abzudichten und/oder die Speise so zu befördern, dass die Luftwege frei bleiben. Dieses bedeutet, dass feste Speisen nicht gekaut werden können und im Mund liegenbleiben, geschluckte Nahrung durch die Nase regurgitiert wird und/oder der Patient sich „verschluckt“, d. h. zu aspirieren droht. Im ungünstigsten Fall drohen Bolustod oder Aspirationspneumonie. Besonders gefährlich sind dünnflüssige und spröde Nahrung, am günstigsten breiige Substanzen wie Joghurt. Patienten mit einer Schlucklähmung erkennt man daran, dass sie den Speichel aus dem Mund laufen lassen oder einen Speichelsee im Rachen haben. Bei der klinischen Untersuchung wird beobachtet, ob und wie sich das Gaumensegel und die Rachenhinterwand beim Versuch der Phonation und beim Würgreflex bewegen. Separat muss die Rachensensibilität geprüft werden. Die Zunge soll im Normalfall ausgiebig und rasch bewegt und kräftig von innen gegen die Wange gedrückt werden können. Verschmächtigung und Faltenbildung sowie Faszikulationen der im Mund liegenden Zunge legen eine periphere oder kombinierte Motoneuronkrankheit (ALS [amyotrophische Lateralsklerose], progressive Bulbärparalyse) nahe. Seltener sind Schluckstörungen infolge Störungen des neuro-muskulären Übergangs (Myasthenia Gravis) oder infolge muskulärer Erkrankungen (z.B. Muskeldystrophien).

Die Mehrzahl der Schluckstörungen sind neurogen bedingt und entstehen nach Verletzungen der für das Schlucken zuständigen Bereiche des Gehirns im Hirnstamm, aber auch der Hirnrinde (Kortex) oder subkortikaler Strukturen (Capsula interna). Am häufigsten sind Schlaganfälle die Ursache, daneben degenerative Erkrankungen, entzündliche Hirnerkrankungen (z.B. MS), Schädelhirntraumen, Tumoren oder angeborene Hirnschäden…Strukturelle Veränderungen der am Schluckakt beteiligten Organe von der Mundhöhle und der Speiseröhre durch Entzündungen, Traumen, Tumore, Systemerkrankungen oder Fehlbildungen kommen seltener ebenfalls in Betracht. Psychogene Schluckstörungen sind selten, dann liegt meist eine Phobie vor. Etwa 1/4 der Patienten nach einem Schlaganfall, die Hälfte der Parkinsonpatienten, mehr als die Hälfte der Patienten mit einer amyotrophe Lateralsklerosen, viele Menschen nach Schädel-Hirn-Trauma, ca 2/3 der Hirntumorpatienten und auch manche Patienten mit hohen Querschnittslähmungen leiden unter Schluckstörungen. Fast die Hälfte der Demenzpatienten ist betroffen. 1/4 der Patienten mit einem gastro- ösophagealen Reflux ist betroffen.

Stabilisierung einer kontrollierten Sitzposition, geeignete Hilfsmittel zum Essen und Trinken, gute Mundhygiene, Mithilfe und Überwachung der Nahrungsaufnahme sind die wichtigsten Therapiebausteine. In schwierigen Fällen ist eine zeitweise Sondenernährung notwendig um Aspirationen (mit der Folge von Lungenentzündungen) und Gewichtsabnahme zu verhindern.

Ausgewählte Ursachen der Dysphagie

Neurologische Erkrankungen
Schlaganfall, Großhirnhemisphären wie Hirnstamm
Intrakranielle Blutung
Morbus Parkinson
Multiple Sklerose
Amyotrophe Lateral Sklerose
Poliomyelitis (Kinderlähmung)
Demenz
Strukturelle Schädigungen
Schildrüsenvergrößerung (retrosternal)
Zervikale Hyperostosen
Angeborene Veränderungen
Zenker’sche Divertikel, Verschlucken ätzender Substanzen
Karzinome der Speiseröhre (meist massiver Gewichtsverlust)
Nasenrachenraumkarzinome, Metastasen an der Schädelbasis mit Schädigung des N. hypoglossus (Bronchialkarzinom, Hypernephrom, dabei kann die Schluckstörung auch das Erstsymptom sein). Diese Knochenmetastasen sollen manchmal dem CT und NMR entgehen.
Gastroösophagealer Reflux,
Regurgitation, bei Strikturen und Dysmotilität
Achalasie,
Psychiatrische Erkrankungen

Psychogene Dysphagie

Bindegewebserkrankungen
Polymyositis
Muskeldystrophie

Iatrogene Ursachen
Operationen
Strahlenfibrose
Medikamente

Nach Castell DO, Donner MW. Evaluation of dysphagia: a careful history is crucial. Dysphagia 1987;2:65-71, und Investigation and management of chronic dysphagia Paula Leslie, Paul N Carding, and Janet A Wilson BMJ 2003; 326: 433-436.[Full text] [PDF] Heinz D, Hofstadt-van Oy U, Pollmeier G, Kirchen H, Welter M, Trier, D Isolierte beidseitige N. hypoglossus-Parese als Erstsymptom eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms mit ausgedehnter Knochenmetastasierung der Schädelbasis Aktuelle Neurologie 2003 Thema: Neuroonkologie II P614

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur